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Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
Autoren: Rolf Dobelli
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seicht, aber in der Mitte ein reißender Strom von zehn Metern Tiefe sein – in dem man ertrinken würde. Mit Durchschnitten zu rechnen kann gefährlich sein, weil der Durchschnitt die dahinterliegende Verteilung maskiert. Ein anderes Beispiel: Die durchschnittliche UV-Strahlenbelastung an einem Sommertag ist gesundheitlich unbedenklich. Wenn Sie aber praktisch den ganzen Sommer im abgedunkelten Büro verbringen, dann nach Mallorca fliegen und dort eine Woche lang ungeschützt in der Sonne braten, haben Sie ein Problem – obwohl Sie im Durschnitt nicht mehr UV-Licht abbekommen haben als jemand, der regelmäßig im Freien war.
    Das alles ist nicht neu und ziemlich logisch. Neu aber ist das: In einer komplexen Welt sind die Verteilungen zunehmend unregelmäßig. Oder um zu den Bus-Beispielen zurückzukehren: Sie gleichen eher dem zweiten Beispiel als dem ersten. Von Durchschnitten zu sprechen ist deshalb immer öfter unangemessen. Wie viele Besuche hat eine durchschnittliche Website? Es gibt keine durchschnittliche Website. Es gibt ganz wenige Webseiten (jene von Bild , Facebook oder Google zum Beispiel), die die Mehrzahl der Besuche auf sich ziehen – und es gibt die restlichen Webseiten, beinahe unendlich viele, die ganz wenige Besuche verbuchen. Mathematiker sprechen in diesen Fällen von einem sogenannten Potenzgesetz. Extreme dominieren die Verteilung, und das Konzept des Durchschnitts wird nichtssagend.
    Was ist die durchschnittliche Größe einer Firma? Was ist die durchschnittliche Einwohnerzahl einer Stadt? Was ist ein durchschnittlicher Krieg (in Anzahl Toten oder in Anzahl Kriegstagen gerechnet)? Was ist die durchschnittliche tägliche Veränderung des DAX? Wie groß ist die durchschnittliche Kostenüberschreitung von Bauprojekten? Wie hoch ist die durchschnittliche Auflage von Büchern? Wie hoch die durchschnittliche Schadenssumme eines Wirbelsturms? Was ist der durchschnittliche Bonus eines Bankers? Der durchschnittliche Erfolg einer Marketingkampagne? Wie viele Downloads hat im Durchschnitt eine iPhone-App? Wie viel verdient der durchschnittliche Filmschauspieler? Natürlich lässt sich das alles ausrechnen, aber es bringt nichts. In all diesen Fällen haben wir es mit Verteilungen nach dem Potenzgesetz zu tun. Um nur das letzte Beispiel herauszupicken: Eine Handvoll Schauspieler kassieren mehr als zehn Millionen pro Jahr, während Abertausende am Existenzminimum kratzen. Würden Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn also raten, sich im Schauspielfach zu versuchen, weil dort die Löhne im Schnitt ganz anständig sind? Besser nicht.
    Fazit: Wenn jemand das Wort »Durchschnitt« sagt, werden Sie hellhörig. Versuchen Sie die dahinterliegende Verteilung zu ergründen. In Bereichen, wo ein einzelner Extremfall fast keinen Einfluss auf den Durchschnitt hat – wie im ersten Bus-Beispiel –, macht das Konzept des Durchschnitts Sinn. In den Bereichen, wo ein einzelner Extremfall dominiert – wie im zweiten Bus-Beispiel –, sollten Sie (und Journalisten) auf das Wort »Durchschnitt« verzichten.



WIE SIE MIT BONI MOTIVATION ZERSTÖREN
    Motivationsverdrängung
    Vor einigen Monaten zog ein Freund von Frankfurt nach Zürich. Ich bin oft in Frankfurt, und so bot ich ihm an, seine heiklen Gegenstände (mundgeblasene Gläser aus altem Familienbesitz und antike Bücher) nach Zürich zu fahren. Ich weiß, wie stark er an diesem Besitz hängt. Es hätte ihn geärgert, wenn die Umzugsfirma seine Wertsachen weniger sorgfältig als rohe Eier behandelt hätte. Also lud ich die Ware in Zürich ab. Zwei Wochen später bekam ich einen Brief, in dem er sich bedankte. Beigelegt war eine 50er-Note.
    Die Schweiz sucht seit Jahren ein Endlager für ihre radioaktiven Abfälle. Verschiedene Standorte kommen für ein Tiefenlager in Betracht, darunter Wolfenschiessen in der Zentralschweiz. Der Ökonom Bruno Frey und seine Mitforscher der Universität Zürich befragten die Teilnehmer einer Gemeindeversammlung, ob sie dem Bau eines Tiefenlagers zustimmen würden. 50,8 % beantworteten die Frage mit Ja. Dies aus verschiedenen Gründen: nationaler Stolz, Fairness, soziale Verpflichtung, Aussicht auf Arbeitsplätze. Die Forscher befragten sie ein zweites Mal. Diesmal offerierten sie jedem Bürger (hypothetische) 5.000 Franken Kompensation – bezahlt von allen Steuerzahlern der Schweiz. Was passierte? Die Zustimmung fiel auf die Hälfte zusammen. Nur noch 24,6 % waren bereit, ein Endlager zu akzeptieren.
    Und noch ein Beispiel:
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