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Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
Autoren: Rolf Dobelli
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schwieriger. 25 Jahre nach Entdeckung des »Marsgesichts« machte der Mars Global Surveyor gestochen scharfe Aufnahmen, und das schöne Antlitz zerbröselte zu gewöhnlichem Felsschutt.
    Die frivolen Beispiele lassen die Clustering Illusion ( Musterillusion ) harmlos aussehen. Ist sie aber nicht. Nehmen wir den Finanzmarkt, der in jeder Sekunde eine Flut von Daten ausspuckt. Ein Freund erzählte mir freudestrahlend, dass er folgende Gesetzmäßigkeit im Datenmeer entdeckt habe: »Der Dow Jones multipliziert mit dem Ölpreis antizipiert den Goldpreis um zwei Tage.« In anderen Worten: Gehen heute Aktienkurse und Ölpreis hoch, steigt übermorgen das Gold. Das ging einige Wochen gut, bis mein Freund mit immer größeren Summen spekulierte und schließlich seine Ersparnisse verlor. Er hatte ein Gesetz gesehen, wo es keines gab.
    OXXXOXXXOXXOOOXOOXXOO. Ist diese Sequenz reiner Zufall oder nicht? Der Psychologieprofessor Thomas Gilovich befragte Hunderte von Menschen. Die meisten mochten bei der Buchstabenfolge nicht an Zufall glauben. Irgendein Gesetz, sagten sie, müsse dahinterstehen. Falsch, erklärte Gilovich, und verwies aufs Würfeln: Auch dort liegt manchmal die gleiche Zahl viermal hintereinander oben, was viele Menschen verblüfft. Offenbar trauen wir dem Zufall nicht zu, solche Cluster hervorzubringen.
    Im Zweiten Weltkrieg bombardierten die Deutschen London. Unter anderem setzten sie die V1-Rakete ein, eine Art selbständig navigierende Drohne. Die Einschlagsorte wurden säuberlich auf einer Karte eingezeichnet, was die Londoner in Schrecken versetzte: Sie glaubten, Cluster zu entdecken, spannen Theorien, welche Stadtteile wohl die sichersten seien. Doch die statistische Auswertung nach dem Krieg bestätigte, dass es sich um eine reine Zufallsverteilung handelte. Heute ist klar, warum: Das Navigationssystem der V1 war extrem ungenau.
    Fazit: In Sachen Mustererkennung sind wir übersensibel. Bleiben Sie also skeptisch. Glauben Sie, ein Muster gefunden zu haben, rechnen Sie erst mal mit reinem Zufall. Wenn Ihnen dieser zu schön wird, um wahr zu sein, suchen Sie sich einen Mathematiker und lassen Sie die Daten statistisch durchtesten. Und wenn sich der Soßensee in Ihrem Kartoffelpüree plötzlich zu Jesu Gesicht verformt, dann fragen Sie sich: Wenn sich Jesus offenbaren will, warum tut er das nicht auf dem Times Square oder im Fernsehen, vor der Tagesschau?



WARUM WIR LIEBEN, WOFÜR WIR LEIDEN MUSSTEN
    Aufwandsbegründung
    John, ein Soldat der amerikanischen Luftwaffe, hat soeben die Fallschirmprüfung absolviert. In Reih und Glied wartet er darauf, den begehrten Fallschirm-Pin zu bekommen. Endlich pflanzt sich der Vorgesetzte vor John auf, legt die Anstecknadel an Johns Brust und hämmert sie mit der Faust so weit hinein, bis sie im Fleisch stecken bleibt. Seither öffnet John bei jeder Gelegenheit den obersten Hemdknopf, um die kleine Wunde zu präsentieren. Und noch Jahrzehnte später hängt die Nadel eingerahmt an seiner Wohnzimmerwand.
    Marc hat eine verrostete Harley-Davidson eigenhändig restauriert. Alle Wochenenden und Urlaube gingen dafür drauf, die Maschine auf Kurs zu bringen, während seine Ehe haarscharf an der Katastrophe vorbeischrammte. Es war ein Krampf, aber nun steht das Prachtstück endlich fertig da und blitzt im Sonnenlicht. Zwei Jahre später braucht Marc dringend Geld. Er versucht, die Harley zu verkaufen, doch seine Preisvorstellung liegt weitab der Realität. Selbst als ein Interessent das Doppelte des Marktpreises bietet, verkauft Marc nicht. John und Marc sind der Aufwandsbegründung ( Effort Justification ) zum Opfer gefallen. Sie besagt: Wer viel Energie in eine Sache steckt, wird das Ergebnis überbewerten. Weil John für den Fallschirm-Pin körperlich leiden musste, misst er ihm einen höheren Wert bei als allen anderen Auszeichnungen. Weil Marc für die Restauration seiner Harley eine Menge Zeit und fast seine Ehe geopfert hat, setzt er den Wert der Maschine so hoch an, dass er sie nie und nimmer verkaufen wird.
    Aufwandsbegründung ist ein Spezialfall der sogenannten kognitiven Dissonanz. Sich für eine simple Auszeichnung ein Loch in die Brust bohren zu lassen ist im Grunde lächerlich. Johns Hirn gleicht diese Verhältnislosigkeit aus, indem es den Wert der Stecknadel überhöht, sie von etwas Profanem zu etwas Quasi-Heiligem hochstilisiert. Das alles passiert unbewusst und ist nur schwer zu unterbinden.
    Gruppen nutzen die Aufwandsbegründung , um die Mitglieder an sich
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