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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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auf den Handel mit den Muslimen zurückzuführen ist, wobei hier [714] allerdings kein direkter Zusammenhang zur »Kreuzfahrerwelt« erkennbar ist.
    Die Franken Outremers lebten nicht in einer hermetisch abgeschlossenen Umgebung. Der Alltag, also politische, militärische und wirtschaftliche Sachzwänge, brachte es mit sich, dass diese Lateiner häufig mit den einheimischen Bewohnern der Levante in Kontakt kamen – mit Muslimen, mit den Christen des Orients und später mit den Mongolen. So entstand durch die Kreuzzüge eine der Grenzzonen, in denen Europäer mit »orientalischer« Kultur in Kontakt kommen und sie theoretisch auch übernehmen konnten. Die »Kreuzfahrer«gesellschaft, die sich in Outremer herausbildete, hatte zweifellos assimilative Züge, allerdings ist nicht genau auszumachen, ob die Annäherung auf bewusster Entscheidung beruhte oder sich aus organischer Entwicklung ergab. Mit Sicherheit war die Gesellschaftsstruktur im lateinischen Orient etwas ganz Einzigartiges, und das nicht, weil die Nähe zum Islam so besonders eng gewesen wäre – eine ähnliche, wenn nicht noch größere Nähe zu den Muslimen kann wohl für die Iberische Halbinsel und Sizilien vorausgesetzt werden –; und sie war auch nicht die Folge des anhaltenden heiligen Krieges im Vorderen Orient. Die besondere Atmosphäre des von den Kreuzfahrern besiedelten Outremer ergab sich vielmehr aus der außerordentlichen Vielfalt an levantinischen Einflüssen – von Griechen und Armeniern bis hin zu Syrern und Juden und natürlich Muslimen – sowie der Mischung unterschiedlicher Einflüsse aus europäischen Ländern wie Frankreich und Deutschland, Italien und den Niederlanden. 4
    Das Abendland
    Schon seit langem wissen Historiker, dass die Kontakte zwischen den abendländischen Christen und der muslimischen Welt oder überhaupt dem östlichen Mittelmeerraum eine wichtige, wenn nicht gar entscheidende Rolle bei der Entwicklung der europäischen Kultur spielten. Diese Kontakte führten zur Übernahme künstlerischer Einflüsse und zum Transfer von wissenschaftlichen, medizinischen und philosophischen Inhalten – all dies löste im Westen weitreichende Veränderungen aus und war letztlich auch ein entscheidender Faktor für den Beginn der Renaissance. Es ist ausgeschlossen, den jeweiligen Anteil der einzelnen Berührungspunkte am Gesamtprozess präzise zu bestimmen. Während [715] etwa Kunst und Architektur in der Levante der Kreuzfahrer unverkennbare Anzeichen interkultureller Verschmelzung aufweisen, kann man
bei der Buchmalerei oder beim Burgenbau keine eindeutigen »Kreuzfahrer«stile definieren; dort blieb ein europäisches Vorbild die einzige Inspirationsquelle. Naturgemäß lässt sich die in Texten festgehaltene Weitergabe von Wissen leichter zurückverfolgen. In dieser Hinsicht spielte Outremer eine beachtliche Rolle, wie sie etwa in den Übersetzungen zum Ausdruck kommt, die in Antiochia entstanden, doch ist sie im Vergleich zur Fülle kopierter und übersetzter Texte, die im Mittelalter
auf der Iberischen Halbinsel entstanden, doch eher zweitrangig. Wir können bestenfalls den Schluss ziehen, dass die Kreuzzüge eine Tür zum Orient öffneten, doch gab es daneben durchaus noch andere Zugänge.
    Andere Veränderungen im Zusammenhang mit den Kreuzzügen sind leichter festzustellen. In praktischer Hinsicht hatten großangelegte Unternehmungen wie die Kreuzzüge bedeutenden politischen, sozialen und ökonomischen Einfluss auf Länder wie Frankreich und Deutschland, schließlich verließen ja mit den Kreuzfahrern zeitweise ganze Verwandtschaftsverbände und große Teile des Adels das Land. Die Abwesenheit der herrschenden Schicht, allen voran der Könige, konnte zu Instabilität und teilweise sogar zu Herrscherwechseln führen. Starken Einfluss auf das mittelalterliche Europa hatten dann die neuen Ritterorden und die Ausdehnung ihrer Macht in praktisch jeden Winkel Westeuropas – als neu auftretende, respektheischende Personen auf der lateinischen politischen Bühne besaßen diese Verbände eine Machtfülle, die die Autorität der bestehenden weltlichen und kirchlichen Instanzen durchaus in den Schatten zu stellen vermochte. Die Popularität des Kreuzzugsgedankens trug dazu bei, die Autorität des Papstes zu bestärken und das mittelalterliche Königtum neu zu gestalten. Außerdem beeinflusste sie die damals sich herausbildenden Vorstellungen von ritterlicher und höfischer Kultur. Als neue Formulierung des Bußgedankens lösten die
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