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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Verbreitung bei. Die Muslime verlangten nicht totale Unterwerfung und sofortige Konversion zum Islam, sondern sie erlaubten den »Völkern des Buches«, wie sie die Christen und die Juden nannten, gegen Entrichtung von Steuern an ihrem Glauben festzuhalten.
    Um 635 ergossen sich Scharen hochmobiler berittener arabischer Stammesangehöriger über die gesamte Arabische Halbinsel. Bis zum Jahr 650 hatten sie enorme Erfolge errungen. Mit atemberaubender Geschwindigkeit wurden Palästina, Syrien, der Irak, Iran und Ägypten dem neuen arabisch-islamischen Staat einverleibt. Im folgenden Jahrhundert ließ das Eroberungstempo ein wenig nach, doch die Expansionsbewegung war nicht aufzuhalten: Bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts erstreckte sich die muslimische Welt vom Indus und von den Grenzen Chinas im Osten über Nordafrika bis nach Spanien und Südfrankreich im Westen.
    Der kritische Punkt im Zusammenhang mit der Geschichte der Kreuzzüge war die Eroberung Jerusalems, das bis dahin zum Byzantinischen Reich gehört hatte. Diese uralte Stadt wurde von den Muslimen nach Mekka und Medina als drittheiligste Stätte des Islams verehrt, was am abrahamitischen Erbe des Islams lag, doch außerdem auf der Überlieferung beruhte, dass Mohammed von Jerusalem aus bei seiner »nächtlichen Reise« in den Himmel aufgestiegen sei; damit hing die Tradition zusammen, die Heilige Stadt als Ort des Endgerichts anzusehen.
    Früher wurde häufig die Auffassung vertreten, dass der Islam ganz Europa überschwemmt hätte, wenn die Muslime nicht zweimal bei ihren Versuchen aufgehalten worden wären, Konstantinopel einzunehmen (673 und 718), und wenn nicht der Franke Karl Martell, der Großvater Karls des Großen, die Mauren 732 bei Poitiers besiegt hätte. Diese Niederlagen spielten zwar eine wichtige Rolle, aber schon damals zeichnete sich eine fundamentale Schwäche innerhalb des Islams deutlich ab, die sein Wirken nachhaltig einschränkte: hartnäckige, verbitterte religiöse und politische Spaltung. Im Kern ging es um Kontroversen wegen der Rechtmäßigkeit der Kalifen, der Nachfolger Mohammeds, aber auch um die Interpretation seiner »Offenbarungen«.
    Diese Probleme machten sich bereits im Jahr 661 bemerkbar, als die Linie der »recht geleiteten Kalifen« mit dem Tod Alis (des Vetters und Schwiegersohns des Propheten) und dem Aufstieg einer rivalisierenden Dynastie, der Omajjaden, abgeschnitten wurde. Die Omajjaden verlegten die Hauptstadt der muslimischen Welt erstmals in ein Gebiet jenseits der Grenzen des arabischen Raums: Sie ließen sich in der großen syrischen Metropole Damaskus nieder und waren bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts im Besitz der Macht. Zur selben Zeit bildete sich auch die Schia heraus (wörtlich »Partei«, »Gruppe«), eine muslimische Sekte, die ausschließlich die Nachfahren Alis und seiner Frau Fatima (der Tochter Mohammeds) als rechtmäßige Kalifen anerkannte. Die schiitischen Muslime bestritten zu Beginn lediglich die politische Autorität der Sunniten, die sich als Hauptströmung durchgesetzt hatten, doch da die Schiiten im Lauf der Zeit eine eigene Theologie, eigene religiöse Rituale und [32] eine eigene Rechtsprechung entwickelten, erhielt die Spaltung zwischen den beiden Glaubensrichtungen auch eine dogmatische Dimension. 8
    Die Zersplitterung der muslimischen Welt
    In den folgenden vier Jahrhunderten vertieften und vermehrten sich die Spaltungen in der muslimischen Welt. 750 beendete ein blutiger Aufstand die Herrschaft der Omajjaden, und eine andere arabische Dynastie – die Abbasiden – kam an die Macht. Sie verlegte das Zentrum des Sunni-Islam noch weiter vom arabischen Kernland weg: in die neu erbaute Stadt Bagdad. Dieser Schritt hatte weitreichende Konsequenzen: Er kündigte eine politische, kulturelle und wirtschaftliche Neuorientierung der herrschenden Elite der Sunniten an, die ihren Schwerpunkt von der Levante nach Mesopotamien verlagerte – in die Wiege der alten Kultur des Orients zwischen den großen Flüssen Euphrat und Tigris, die auch als Fruchtbarer Halbmond bezeichnet wird – und weiter östlich in Richtung persischer Iran und darüber hinaus. Die Herrschaft der Abbasiden verwandelte Bagdad in ein Zentrum wissenschaftlicher und philosophischer Forschungen. In den folgenden 500 Jahren befand sich das Herz des sunnitischen Islams nicht in Syrien oder im Heiligen Land, sondern im Irak und Iran.
    Der Aufstieg der Abbasiden ging allerdings mit der allmählichen Zerstückelung und Fragmentierung
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