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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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entfernten Orten auf den Weg – so zu den großen Zentren wie Rom und Santiago de Compostela, aber auch zu örtlichen Heiligtümern und Kirchen –, doch Jerusalem, die Heilige Stadt, entwickelte sich schnell zu dem am meisten verehrten Ort. Jerusalems unvergleichliche Heiligkeit drückte sich etwa in der allgemein verbreiteten mittelalterlichen Gewohnheit aus, die Stadt auf Weltkarten in der [25] Mitte zu platzieren. All das beeinflusste die enthusiastische Reaktion auf den Aufruf zum Kreuzzug unmittelbar, wurde doch der heilige Krieg als eine Art bewaffnete Pilgerreise dargestellt, deren Endpunkt Jerusalem war. 5
    Krieg und Gewalt im lateinischen Abendland
    Mit dem Aufruf zu den Kreuzzügen versuchte das Papsttum die Mitglieder vor allem einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht zu erreichen: die Ritter des lateinischen Abendlands. Diese Militärklasse befand sich zu Beginn des 11. Jahrhunderts noch am Anfang ihrer Entwicklung. Das entscheidende Merkmal mittelalterlicher Ritterschaft bestand darin, als berittener Krieger zu kämpfen. * Ritter wurden meist von mindestens vier oder fünf Gefolgsleuten begleitet, die als Knechte dienten, sich also um das Pferd, die Waffen und das Wohlergehen ihres Herrn kümmerten, aber auch als Fußsoldaten kämpfen konnten. Als die Zeit der Kreuzzüge begann, dienten diese Ritter nicht in stehenden Heeren. Sie waren zwar Krieger, doch oft zugleich Feudalherren oder Lehnsmänner, Gutsbesitzer oder Bauern – Männer also, die nur wenige Monate im Jahr mit kriegerischen Aktivitäten zubringen konnten, und selbst die, die Zeit hatten, waren nicht an den Kampf in organisierten, gut ausgebildeten Truppen gewöhnt.
    Zu den Methoden der Kriegsführung im Europa des 11. Jahrhunderts, wie sie die meisten Ritter zu praktizieren pflegten, gehörte eine Mischung aus Überfällen in der näheren Umgebung, Scharmützeln – meist stümperhaften Begegnungen in chaotischem Nahkampf –, und der Belagerung der zahlreichen aus Holz oder Stein errichteten Burgen, die [26] überall in Europa zu finden waren. Nur wenige lateinisch-christliche Soldaten hatten Erfahrung mit der offenen Feldschlacht größeren Ausmaßes, weil diese Form der Auseinandersetzung extrem unberechenbar war und deswegen nach Möglichkeit gemieden wurde. Und keiner wird zuvor an einer so langwierigen, geographisch so weit von der Heimat wegführenden Unternehmung wie den Kreuzzügen teilgenommen haben. Die heiligen Kriege im Orient verlangten also von den Kriegern der lateinischen Christenheit, ihre Kampftechniken von Grund auf umzustellen und zu verbessern. 6
    Vor dem Aufruf zum ersten Kreuzzug war für die meisten lateinischen Ritter Blutvergießen noch gleichbedeutend mit Sünde, doch hatten sie sich bereits an den Gedanken gewöhnt, dass vor Gott bestimmte Formen der Kriegsführung eher gerechtfertigt waren als andere. Auch hatte sich schon abgezeichnet, dass das Papsttum unter Umständen bereit sein könnte, Gewaltanwendung gutzuheißen.
    Auf den ersten Blick scheint das Christentum eine pazifistische Religion zu sein. Die Evangelien berichten von zahlreichen Begebenheiten, bei denen Jesus Gewalt offensichtlich tadelte oder verbot: angefangen bei seiner Warnung, wer Gewalt anwende, werde durch Gewalt umkommen, bis zur Aufforderung in der Bergpredigt, bei einem Schlag auf die Wange auch die andere Wange hinzuhalten. Und das Alte Testament scheint zur Frage der Gewalt mit dem mosaischen Gebot: »Du sollst nicht töten!« ebenfalls eine eindeutige Handlungsmaxime vorzugeben. Im 1. Jahrhundert n. Chr. jedoch machten sich christliche Theologen Gedanken über die Verbindung ihres Glaubens mit der Militärherrschaft Roms, und sie stellten die Frage, ob die Heilige Schrift Krieg tatsächlich so entschieden ablehne. Das Alte Testament war in diesem Punkt nicht eindeutig; als Chronik der Geschichte des verzweifelten Überlebenskampfs der Juden beschrieb es mehrere Kriege, die Gott gutgeheißen hatte, was unter gewissen Bedingungen sogar Rache- oder Angriffskriege einschloss. Im Neuen Testament heißt es dann, Jesus sei nicht gekommen, den Frieden, sondern das Schwert zu bringen, und es wird erzählt, dass er mit einer Peitsche die Geldverleiher aus dem Tempel vertrieb.
    Der einflussreichste frühe christliche Philosoph, der sich mit diesen Fragen auseinandersetzte, war der nordafrikanische Bischof Augustinus von Hippo (354 – 430 n. Chr.). Sein Werk bildete das Fundament, auf dem die Päpste später ihre Vorstellung vom Kreuzzug
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