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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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himmlischer Erlösung, der Sünder jedoch endete in Verdammnis und ewiger Höllenqual. Den Gläubigen wurde die physisch erfahrbare Realität der damit verbundenen Gefahren durch Bilder und Skulpturen von den Bestrafungen näher gebracht, die verderbte Seelen zu erdulden hatten: Arme Sünder wurden von Dämonen erwürgt, und die Verdammten wurden von grauenhaften Teufeln scharenweise ins lodernde Höllenfeuer gestoßen.
    Unter diesen Umständen konnte es kaum überraschen, dass die meisten lateinischen Christen besessen waren von den Gedanken an Sünde und Unreinheit und an das Leben nach dem Tod. Ein extremer Ausdruck der Sehnsucht, ein unbeflecktes christliches Leben zu führen, war das Mönchtum: Männer und Frauen gelobten Armut, Keuschheit und Gehorsam und lebten in geordneten Gemeinschaften in völliger Hingabe an Gott. Im 11. Jahrhundert bot das Kloster Cluny in Burgund eine besonders anziehende Form monastischen Lebens. Die cluniazensische Bewegung wuchs auf 2000 Konvente an, die sich dem Geist von Cluny verpflichtet fühlten, von England bis nach Italien, und beeinflusste nachhaltig die Ideale der Reformbewegung. Einen Höhepunkt erreichte dieser Einfluss, als Urban II., früher selbst Mönch in Cluny, das Amt des Papstes übernahm.
    Natürlich waren die meisten Christen des Mittelalters den Anforderungen des Klosterlebens nicht gewachsen. Für die Laien war der Weg zu Gott gespickt mit Gefahren der Übertretung, denn zahlreiche unvermeidliche Aspekte des menschlichen Lebens – Stolz, Gier, Wollust und Gewalt – galten als Sünde. Doch es stand auch ein entsprechendes System von Erlösungsmitteln zur Verfügung (wobei deren theoretische und theologische Begründung noch nicht vollständig ausgearbeitet war). Die lateinischen Christen waren eingeladen, ihre Übertretungen einem Priester zu beichten, der ihnen dann eine Buße auferlegte, mit der der Makel der Sünde getilgt werden konnte. Am häufigsten wurde als Bußakt das Gebet empfohlen, doch auch Almosen für die Armen oder Spenden an geistliche Einrichtungen sowie eine läuternde Pilgerreise waren übliche Sühneakte. Solche verdienstvollen Aktivitäten konnten auch außerhalb des Beichtkontextes unternommen werden, sei es als spirituelle Anzahlung oder um Gott oder einen seiner Heiligen um Beistand zu bitten.
    [24] Fulk Nerra bewegte sich also ganz im Rahmen dieser bewährten Glaubensstruktur, als er sich um sein Seelenheil mühte. In diesem Geist gründete er auch ein Kloster in seiner Grafschaft Anjou, in Beaulieu. Fulk selbst soll gesagt haben, dass er dies tat, »damit die Mönche dort zusammenkommen und Tag und Nacht für die Rettung meiner Seele beten«. Diese Vorstellung, die in Klöstern entstehende spirituelle Energie zu nutzen, war auch 1091 noch lebendig, als der südfranzösische Adlige Gaston IV. von Béarn dem zu Cluny gehörigen Kloster St. Foi Morlaàs in der Gascogne einige seiner Besitztümer überließ. Gaston war ein erklärter Förderer der päpstlichen Reformbewegung; er hatte 1087 auf der Iberischen Halbinsel gegen die Mauren gekämpft und sollte später auch zu den Kreuzfahrern gehören. Die Urkunde, in der seine Schenkung an St. Foi festgehalten ist, bezeugt, dass er dies für sein eigenes Seelenheil, das seiner Frau und das seiner Kinder tat, in der Hoffnung, dass »Gott uns in dieser Welt in all unseren Nöten hilft und uns nach dem Tod das ewige Leben schenkt«. Zur Zeit Gastons hatten die meisten Adligen im christlichen Abendland ähnlich gute Kontakte zu Klöstern, was nach dem Jahr 1095 auf das Tempo, mit dem sich die Begeisterung für den Gedanken eines Kreuzzugs in ganz Europa ausbreitete, erkennbaren Einfluss hatte. Teilweise lag das daran, dass das Gelübde, das die Ritter ablegten, die sich in den Dienst des heiligen Krieges stellten, an das Gelübde der Mönche erinnerte – eine Ähnlichkeit, die die Wirksamkeit des Kampfes für Gott zu bestätigen schien. Noch wichtiger war, dass sich das Papsttum mit seinen Beziehungen zu Klöstern wie Cluny darauf verlassen konnte, dass sie den Aufruf zum Kreuzzug verbreiten und unterstützen würden.
    Der zweite Weg zum Heil, den Fulk Nerra einschlug, war die Pilgerschaft. Hält man sich seine zahlreichen Reisen nach Jerusalem vor Augen, dann war diese Form der Bußpraxis offenbar besonders überzeugend – er schrieb später, die reinigende Kraft seiner Erfahrungen habe seinen »Geist zu großem Jubel erhoben«. Lateinische Pilger machten sich häufig zu weniger weit
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