Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
gestanden. Zum Glück war mein Hund wachsam.«
    »Ich bin es, lieber Vetter.«
    Seine Augen weiteten sich, als er in das Gesicht der Frau blickte, die jetzt ihr Tuch abgeworfen hatte. Er musterte entgeistert das am Saum zerrissene, über und über von Kot verschmutzte Kleid und die von getrocknetem Schlamm starrenden Schuhe, von denen einer etwas größer war als der andere. Entsetzt hob er beide Arme.
    »Bertrada!« stammelte er und fuhr die beiden Bauern an: »Nehmt sofort Eure Hände weg!«
    Augenblicklich ließen die vier Männer ihre Gefangenen los und sahen sich betroffen an. Bertrada wandte sich ihnen lachend zu.
    »Das habt ihr euch redlich verdient«, sagte sie und reichte dem Ältesten das Beutelchen mit den übriggebliebenen Ringen. »Teilt euch das. Zum Dank für eure Mühe. Für die Fahrt im Ochsenkarren. Ich hatte nämlich wirklich keine Lust mehr zu gehen. Und für eure Eier, auch wenn mein Begleiter sie alle hat fallenlassen.«
    »Die Hunde …«, begann Teles und deutete auf sein zerrissenes Beinkleid.
    »Wie kommst du bloß hierher, Bertrada? Was ist geschehen? Gibt es einen Aufstand? Weiß der König, daß du …«
    »Eine lange Geschichte, lieber Vetter«, unterbrach ihn Bertrada. »Sorge dich nicht, dem König geht es gut. Er besucht gerade die Sachsen. Ich werde viel Zeit haben, dir später bei einem Becher deines guten Weins alles zu erzählen.«
    »Du willst hier länger verweilen?«
    Bertrada trat ans Fenster und blickte lächelnd hinaus.
    »Fürwahr, eine prächtige Kirche. Die ist neu. Aber ansonsten scheint sich hier in Prüm nicht viel verändert zu haben. Du bist dünner geworden, lieber Vetter, wahrscheinlich arbeitest du zu viel. Aber jetzt kann ich dir ja einiges abnehmen. Wie ich sehe, steht mein Gutshaus noch. Und das Genitium auch.«
    »Ach, das Genitium, Bertrada, das macht mir rechte Sorgen!« rief der Abt. »Einst hatte Tuch aus Prüm einen solch guten Ruf, aber was soll ich machen? Ich kann schließlich keine Mönche abstellen, um Frauen bei der Arbeit zu beaufsichtigen!«
    »Wer überwacht denn die Einkäufe? Woher kommen heutzutage Wolle, Waid, Flachs, Krapp, Scharlachfarbe? In welchem Zustand befinden sich die Spinnstuben, die Webstühle? Gibt es genug Webgewichte? Werden noch Wollhemden hergestellt? Müssen die Frauen jetzt etwa die Schafe selbst scheren und die Wolle waschen? Wie viele verstehen sich auf Gold- und Perlenstickerei? Herrscht Frieden bei der Arbeit?«
    Vater Assuerus hob ratlos die Schultern.
    »Ich schaue mir nur die Abrechnungen an«, gestand er. »Mehr verstehe ich nicht davon.«
    »Aber ich!« rief Bertrada. »Teles, geh hinauf zur Villa und laß mir ein heißes Bad bereiten. Und dir auch. Danach mache ich mich gleich an die Arbeit!«
    Sie strahlte den Abt des Klosters Prüm an.
    »Du wirst schon sehen, lieber Vetter, bald werden sich alle Kirchen wieder um unsere Altartücher reißen. Tuch aus Prüm wird wieder gerühmt werden, weit über die Grenzen des Landes hinaus. Allerdings …«, sie runzelte leicht die Stirn, als sie fortfuhr: »… habe ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wo mein Sohn diese Grenzen noch ziehen wird!«

Nachwort
    Was ist das Erfinden?
Es ist der Abschluß des Gesuchten.
    G OETHE , M AXIMEN UND R EFLEXIONEN 7
    Das Leben der Bertrada von Laon erfüllt Historiker mit einigem Unbehagen, denn frühere Geschichtsschreiber haben dafür gesorgt, daß von dieser einstmals so einflußreichen Frau nur wenige Fakten überliefert wurden. Fest steht nur, daß sie die Gemahlin Pippins III., Mutter Karls des Großen und eine umtriebige Diplomatin war. Heute wird ihre Bedeutung für die Politik des achten Jahrhunderts in einigen Geschichtsbüchern etwas stärker hervorgehoben. Das war nicht immer so. Schon gar nicht im Mittelalter, als es die männlichen Schreiber wohl für ratsam hielten, dem Einfluß einer Frau kein allzu großes Gewicht beizumessen. Wahrscheinlich war die Erinnerung an die ›fürchterlichen Frauen‹ der Merowinger noch zu frisch. Vielleicht gab es aber auch tatsächlich ein dunkles Geheimnis. Um ein solches rankten sich bereits im Mittelalter zahlreiche Legenden, die in diversen Varianten die Geschichte der vertauschten Braut mit Bertrada in Verbindung bringen und die ins Märchengut Eingang fanden. In englischen Quellen wird Bertrada sogar als ›Flora of Hungary‹ geführt, und selbst Meyers Konversationslexikon aus dem Jahr 1909 behauptet, die mythische Bertrada (oder Berta) verkörpere die Göttin Berchta mit dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher