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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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gewesen, als Karl angekündigt hatte, seine Gemahlin zu verstoßen, um Hildegard zu heiraten. Und bei der Hochzeit, der Bertrada ferngeblieben war, hatte Gisela, wie es hieß, gestrahlt, als wäre sie die Braut gewesen. Sie selbst schien auf eine Eheschließung überhaupt keinen Wert zu legen. Bertrada hatte sie einst gefragt, weshalb sie so viel las und studierte, wenn sie mit ihrem Wissen doch keinem Mann zur Seite stehen wollte und somit als Frau kaum Einfluß ausüben konnte. »Vielleicht kann ich mir diesen eines Tages als Äbtissin verschaffen!« hatte Gisela lachend erwidert und hinzugefügt, wie bedauerlich sie es fand, daß der kluge Abt Fulrad trotz mehrfacher Einladungen immer noch nicht an Karls Hof erschienen und auch nicht nach Saint Denis zurückgekehrt war. Es hieß, daß er sich studienhalber in Saint Quentin aufhalte. »Von diesem Mann möchte ich noch viel lernen!« hatte sie hinzugefügt.
    Bertrada hatte mit Karl seit ihrem letzten Streit kein Wort mehr gewechselt. Und er hatte ihr weder das Schreiben gezeigt, das den Tod von Papst Stephan verkündet hatte, noch das Pergament, das den Königshof über seinen Nachfolger Hadrian in Kenntnis setzte. Sie wußte überhaupt nicht mehr, was auf der Welt geschah, und es war ihr inzwischen auch gleichgültig. Als sie von Gisela vernahm, daß Karl gleich nach der Hochzeit zu einem Feldzug nach Sachsen aufbrechen wollte, suchte sie ihren Sohn auch nicht mehr auf, um ihm Erfolg zu wünschen. Statt dessen öffnete sie ihre Schmucktruhe, nahm Pippins alten Eberzahn heraus und hängte ihn sich um den Hals. Sie selbst brauchte jetzt Kraft.
    Acht Kinder hatte sie Pippin geboren. Die beiden ihr noch verbliebenen hatten sich einander zugewandt und waren ihr fremd geworden. So wie sie selbst ihrer Mutter einst auch.
    Was erwartete sie noch vom Leben? Leben bedeutete Blühen, Wachsen, Gedeihen, aber auch Wandel und Verfall. Wann hatte sie zum letzten Mal gespannt darauf gewartet, daß ein Samenkorn keimte, wann eine seltene Pflanze vor dem Wind geschützt, wann Früchte geerntet, Kräuter getrocknet und mit den Händen in der Erde gewühlt? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie wußte nur, daß sie offenbar mit der Natur besser umgehen konnte als mit den Menschen. Gedanken, die sie in deren Köpfe gesät hatte, waren nicht aufgegangen, und die seltene Pflanze Frieden hatte sie nicht zum Erblühen bringen können. Sie hatte im Schlamm des Intrigenpfuhls weltlicher und kirchlicher Mächte gewühlt, hatte ihren eigenen Mann darin ersticken lassen und wäre beinahe selbst darin zugrunde gegangen.
    Laute Schreie rissen sie aus ihren Betrachtungen. Sie stand hastig auf, verließ den ungemütlichen Raum und eilte auf den Lärm zu. Als sie aus dem Gebäude trat, sah sie vor der in ein Baugerüst eingehüllten Basilika eine offensichtlich aufgeregte Gruppe von Menschen. Die Menge teilte sich, als sie der Königin ansichtig wurde. Von bösen Ahnungen erfüllt, schritt Bertrada durch die Gasse, an deren Ende ein laut weinender Mann auf dem Boden hockte. Seine Hände ruhten auf den Körpern zweier lebloser Frauen, unter denen sich frische Blutlachen ausbreiteten.
    »Teles«, sagte Bertrada tonlos, »was ist geschehen?«
    Er schüttelte nur den Kopf und weinte weiter.
    »Das Mädchen ist vom Gerüst gesprungen«, berichtete ein Mönch flüsternd und bekreuzigte sich. »Die Mutter hat versucht, sie zurückzuhalten, und ist mit ihr in den Tod gestürzt.«
    Gisela und Hildegard verbrachten viele Stunden im Gebet für ihre tote Freundin und deren Mutter. Doch sie verrieten weder der Königin noch dem untröstlichen Vater, was das Mädchen zu der Tat getrieben hatte. Nur Karl gestanden sie, daß Sophia ihn genauso geliebt hatte wie sie beide auch.
    »Aber deswegen bringt man sich doch nicht um!« rief er entgeistert. Er dachte voller Bedauern an das junge Mädchen mit den schönen braunen Augen unter den schweren Lidern. »In meinem Herzen wäre doch auch noch Platz für sie gewesen!«
    »Sie wollte dich ganz für sich allein haben«, murmelte Gisela.
    Karl schüttelte den Kopf. »Armes, verwirrtes Mädchen«, sagte er traurig. »Ein König gehört doch allen!«
    Einen Monat nach Mathildes und Sophias Beisetzung ließ Bertrada Teles zu sich rufen.
    »Teles, ich will nach Hause«, sagte sie ohne Vorrede. »Und du kommst mit mir.«
    Der einstige Sklave schien in den vergangenen Wochen um Jahre gealtert zu sein. Haare und Bart, die er sich hatte wachsen lassen, waren schlohweiß geworden,
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