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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin
Autoren: Martina Kempff
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auf einer Lichtung geboren hatte. Der Wald war ihr fast wieder so fremd geworden wie in ihrer Kindheit.
    Sie hatte auch ein wenig Angst vor dem, was sie in Prüm erwartete. Schließlich war sie seit Jahren nicht mehr dort gewesen, hatte die neue Klosterkapelle, die man jetzt wegen der vielen Schenkungen ihres Hauses ›die goldene Kirche‹ nannte, nie fertiggestellt gesehen. Ob jemand ihre Küchengärten pflegte? Die Gräber ihrer beiden toten Söhne? Wer beaufsichtigte die Arbeiten in den Genitien? Was, wenn ihr auch Prüm und Mürlenbach fremd vorkommen sollten? Wohin sollte sie sich dann wenden, wenn es kein Zuhause mehr für sie gab? Ach, wie war sie ihres Nomadendaseins müde, der Reise von Pfalz zu Pfalz, von Hofgut zu Hofgut, von einer fremden Umgebung in die nächste! Nirgendwo war sie wirklich heimisch geworden, nirgendwo gehörte sie hin.
    Sie schaute den neben ihr dahinschreitenden Teles nachdenklich an. In seiner Jugend war er ein halbes Dutzend Mal aus Klöstern ausgebrochen, um in seine Heimat zurückzukehren. Sehnte er sich immer noch danach?
    »Warum bist du eigentlich nie nach Griechenland zurückgekehrt?« fragte sie ihn plötzlich. »Du hast früher doch solche Sehnsucht nach deiner Heimat gehabt.«
    »Damals konnte ich mich noch an sie erinnern«, erwiderte er. »Was sollte ich jetzt da? Dort wird sich alles verändert haben, und es gibt niemanden mehr, der mich kennt. Meine Heimat ist heute das Frankenland.« Er sah sich schaudernd um und fügte hinzu: »Und nicht der Wald!«
    Über die genaue Stelle, an der er ihr vor dreißig Jahren Wein eingeflößt hatte, konnten sie sich nicht einigen. Er war davon überzeugt, daß es viel südlicher gewesen sein mußte.
    »Ich bin doch nach Nordosten gegangen!« rief Bertrada und setzte mutlos hinzu: »Nichts ist so wie früher! Diese Wanderung war kein guter Gedanke!«
    »Dann laßt uns doch eine Herberge aufsuchen und sie abbrechen«, schlug Teles vor.
    »Nein! Aber ich möchte nicht mehr laufen. Das zweite Paar Schuhe ist auch bald hin.«
    »Kauft von Euren Ringen Pferde!«
    »Teles, wir sind hier nicht am Hof des Königs! Wer wird in dieser Gegend schon Pferde besitzen? Außerdem würde es zu viel Aufmerksamkeit erregen, wenn wir nach Pferden fragen!«
    Auf der alten Römerstraße nahm sie ein Bauer in seinem Ochsenkarren mit.
    »Ein königliches Fahrzeug«, sagte Bertrada zu ihrem Begleiter. »Weißt du, daß sich Childerich, der letzte Merowingerkönig, in solch einem Gefährt kreuz und quer durch das Land hat fahren lassen? Das scheint seine einzige Beschäftigung gewesen zu sein.«
    »Eine noch unangenehmere als das Reiten!« brachte Teles nach dem nächsten Schlagloch hervor. Er war schon gründlich durchgerüttelt.
    »Wenigstens weiß ich genau, daß ich auf dieser Straße zum ersten Mal Erzbischof Bonifatius gesehen habe«, erinnerte sich Bertrada voller Wehmut und sprach ein stummes Gebet für den Verstorbenen. »Jetzt ist es wirklich nicht mehr weit bis nach Prüm! Aber sag mir doch endlich eines, Teles: Wie und wann bist du eigentlich dahintergekommen, daß ich deine damalige Wegbegleiterin war?«
    Teles lächelte.
    »Als wir damals nach dem Tod Eures Schwagers von Vienne zu Mathildes Elternhaus wanderten, seid Ihr über einen Stein gestolpert und habt ihn angeschrieen: Brate in der Hölle! Genau das gleiche hattet Ihr auch dem Stein gewünscht, über den Ihr damals mit den verbundenen Füßen gestürzt seid. Ich hatte während der langen Wanderung genug Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, wie es wohl aussieht, wenn ein Stein in der Hölle brät, ob ihm das etwas ausmachen würde, und auch darüber, ob Ihr ihn vielleicht als lebendiges Wesen anseht. Für Christen, soviel wußte ich zwar, waren Steine tote Dinge, aber hier verfluchte eine Christenfrau einen Stein, als hätte er eine Seele. Das habe ich mir gemerkt. Und als sich die Szene wiederholte, habe ich Euch daran sofort erkannt.«
    Vater Assuerus warf nur einen kurzen Blick auf die beiden verschmutzten Gestalten, die von den vier Männern in seine Stube geführt wurden. Den Abt des Prümer Klosters quälten furchtbare Gallenkoliken. Er war blaß und mager geworden und litt darunter, daß er dem herrlich fetten Essen und dem guten Wein nicht mehr zusprechen durfte.
    »Wen habt ihr denn da?« fragte er seufzend.
    »Zwei Diebe, ehrwürdiger Vater«, sagte der älteste Bauer und verneigte sich tief. »Der Mann hat Eier aus meinem Hühnerstall entwendet und die Frau hat dabei Wache
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