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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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mittendrin Agnes, ihre Schwester, von dem Fellmantel umhüllt. Sie schritt an der Seite von Reinachs, seiner Frau und den Kindern. Im Rhein trieben Eisschollen, wie in Elisabeths Traum. Nach einer Weile wurden die Segel gesetzt. In der stärker werdenden Brise machten die Schiffe los und fuhren mit geblähten Segeln stromaufwärts Richtung Straßburg. Nun wusste Elisabeth, was ihr Traum zu bedeuten gehabt hatte. Darin hatte sich ihre Angst geäußert, das Liebste, was sie besaß, zu verlieren. Aber die Gefahr war noch nicht gebannt, das Schreckliche, was sie befürchtete, noch nicht vorüber. Musste Agnes sterben? Was würden sie in der Stadt vorfinden? Erst jetzt gab Bernhard seinen Männern das Zeichen, in die Stadt einzuziehen. Er selbst war von seinem Hofstaat umgeben, gut genährt und in erlesener Kleidung. Jakob und Elisabeth folgten in einigem Abstand. Als sie das Tor durchschritten, stieg ein Geruch in Elisabeths Nase wie eine böse Wolke, der süße Geruch nach Verwesung. Sie sah Leichen in den Gassen liegen, von denen sie nicht wusste, ob sie von Menschen oder Ratten angefressen worden waren. Die überlebenden Bürger standen auf dem Marktplatz und jubelten den weimarischen Truppen mit dünnen Stimmen entgegen. Jakobzeigte Elisabeth das Haus, in dem ihre Eltern und ihr Bruder lebten und schloss sich dann Bernhard an, der mit seinem Gefolge zur Burg hinaufritt. Elisabeth starrte einen Augenblick lang auf die Holztür. Sie gab sich einen Ruck und klopfte an. Gott sei Dank, sie hörte Schritte, und schon wurde ihr aufgemacht. Ihr Bruder Lukas stand in der Tür. Er war gewachsen, wenn auch abgemagert. Einen Moment schaute er sie aus großen Augen an, dann fiel er ihr um den Hals.
    »Elisabeth, Schwester, dass ich dich noch einmal wiedersehe!«, rief er. Lukas machte sich von ihr los und rief in die Stube hinein: »Herr Vater, Frau Mutter, kommt schnell und schaut, wer uns da besucht!« Er zog Elisabeth ins Haus. Ihre Eltern, ebenfalls dünn und in Lumpen, saßen am Tisch und beteten. Der Geruch nach Ziege stand in der Luft. Vater und Mutter starrten Elisabeth aus tiefliegenden Augen an. Langsam kam Bewegung in sie. Elisabeth lief auf sie zu und umarmte sie stürmisch.
    »Ihr lieben Eltern, wie freue ich mich! Wenn ich früher gewusst hätte, dass ihr hier seid, hätte ich euch herausgeholt!«
    »Das ist sehr christlich von dir gedacht, Elisabeth«, sagte ihr Vater mit schwacher Stimme. »Aber mach dir keine Vorwürfe. Deine Schwester Agnes hat uns gerettet. Sie hat uns mit den Resten der Mahlzeiten des Kommandanten versorgt.«
    »Und unsere Ziege hat uns Milch gegeben, bis zuletzt«, setzte die Mutter hinzu.
    »Bis wir schließlich auch sie schlachten mussten.«

38.
    Jakob war mit den Fußtruppen Bernhards bis zur Burg hinaufgestiegen. Im Burghof konnte er nicht umhin, sich kurz abzusetzen und in den Pferdestall zu laufen. Da stand sein Rappe Ferdl, gesund und mit glänzendem Fell. Er schnaubte erfreut, als er seinen Herrn erblickte, warf den Kopf zurück und wieherte. Glücklich legte Jakob seinen Kopf an den warmen Hals des Tieres.
    »Braves Tier, guter Ferdl, dass du so lange durchgehalten hast. Jetzt warte nur noch ein Weilchen, dann hole ich dich.«
    Er entlohnte den Stallknecht, der in der Nähe stand und ein Pferd striegelte, reichlich und dankte ihm von Herzen. Zusammen mit Bernhard und seinen Offizieren versammelte er sich danach im Rittersaal der Burg.
    »Es ist erstaunlich viel gutes Geschütz und Munition in den Arsenalen, wie mir meine Männer berichten«, verkündete Bernhard.
    »Du wirst staunen, wenn du erst die Schatztruhe des Kommandanten siehst«, unterrichtete ihn Jakob. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er in dem Geld gewühlt hat.«
    Er führte Bernhard zu dem Gemach des Kommandanten und half ihm, die Truhe zu erbrechen. Bernhard holte zwei seiner Männer, um das Geld zu zählen. »Es sind eine Million Gulden und Reichstaler«, sagte er dann fassungslos. »Damit wären meine Auslagen für die Belagerung voll und ganz ersetzt!«
    »Wie hoch sind unsere Verluste an Männern?«, wollte Jakob wissen.
    Bernhard schaute ihn überrascht an. »Du sagst ›unsere Verluste‹?«, fragte er. »So sehr bist du also zu uns übergelaufen?«
    »Wie hoch sind unsere Verluste?«, wiederholte Jakob.
    »Wir haben achttausend Mann verloren«, antwortete Bernhard. »Die anderen das Doppelte, wenn man alle Schlachten zählt.«
    »Wie willst du jetzt weiter verfahren, Bernhard?«
    »Ich nehme die
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