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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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teuflischen Seele hinein, Hans Heinrichvon Reinach. Ich sollte dich an der obersten Zinne deiner Burg aufhängen lassen oder besser noch, dich den Hunden zum Fraß vorwerfen!«
    Elisabeth war bleich geworden.
    »Dieser gottverdammte Hund!«, knirschte Jakob. »Ich habe diese Gefangenen gesehen, und er hat mir zugesagt, sie täglich mit Brot, Wasser und einer warmen Mahlzeit zu versorgen!«
    »Aber was steht es mir an, über dich, du Ausgeburt der Hölle, zu richten«, fuhr Bernhard fort. »Gott allein wird über dein weiteres Schicksal entscheiden.«
    Er wandte sich ab. Von Reinach saß wieder auf und ritt ein Stück weiter, wo er auf seine Besatzung wartete. Es folgte sein Oberst mit einer Besatzung, die auf wenige Hundert geschmolzen war. Viele von ihnen waren so entkräftet, dass sie in den Staub der Straße fielen. Einige hielten Fetzen von Fleisch in den Händen, an denen sie verzweifelt nagten.
    »Gütiger Gott!«, entfuhr es Bernhard. »Die essen doch nicht etwa Menschenfleisch?«
    Der Oberst hielt vor ihm an und sagte: »Der Hunger wütete mit einer solchen tödlichen Macht, dass auch die letzten Schranken fielen. Manche haben die Leichen auf dem Friedhof ausgegraben, sie zerrissen und verschlungen.«
    »Habt ihr denn keine Wachen aufgestellt, um solch gottloses Treiben zu unterbinden?«, fragte Bernhard mit entsetzter Miene.
    »Die Wachen wurden bestochen, gütiger Herr von Weimar«, sagte der Oberst und schlug die Augen nieder. »Oder sie haben sich daran beteiligt.«
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, flüsterte Elisabeth Jakob zu. Die Angst um ihre Familie machte sie ganz starr und kalt.
    Ein Mann in der Kleidung eines Rittmeisters meldete sich zu Wort. »Es sind über zweitausend Menschen an Hunger oder widernatürlicher Befriedigung desselben elendiglich zugrunde gegangen«, meldete er. »Wer Geld hatte, konnte sich noch etwaskaufen. Erst vorhin sah ich eine reiche Bürgerin, die einen Ring gegen ein Schüsselchen Sauerkraut tauschte.«
    »Das muss nicht alles wahr sein«, sagte Jakob zu Elisabeth. »Insbesondere die Geschichten von den Friedhöfen nicht, aus denen die Leichen ausgegraben worden sein sollen.«
    »Kinder sind verschwunden, Waisenkinder, die niemand vermisst hat!«, schrie der Oberst. »Die wurden geraubt, getötet und dann aufgegessen!«
    »Das sagen sie, um Mitleid bei Bernhard zu erwecken«, raunte Jakob Elisabeth zu.
    Und es schien Erfolg zu haben. Bernhard wandte sich an die abgerissenen Männer.
    »Ich habe Schiffe für Euch bereitgestellt, die werden Euch heute noch nach Straßburg bringen. Dorthin lasse ich Nahrung für zwei Tage beschaffen. In Straßburg werdet Ihr dann gastlich aufgenommen.«
    Er nahm den Hut ab und wühlte in seinem dunklen Haar.
    »Ihr Ärmsten«, fuhr er dann fort, »Ihr seid doch wirklich tapfere Männer, dass ihr so lange durchgehalten habt. Geht in Frieden, Ihr habt meinen Segen!«
    Die Männer zogen langsam an der Menge vorbei, einer den anderen stützend. Als Letztes folgte die Familie des Kommandanten, seine Frau mit den rotwangigen Kindern und die Diener, Mägde und Knechte. Elisabeth stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Auch Agnes war dabei, mit einem Federhut, einem Fellmantel und Stiefeln bekleidet. Sie war bleich, mit spitzer Nase und eingefallenen Wangen, und verzog keine Miene. Auf der Haut ihres Gesichtes zeigten sich blassrosa Flecken.
    »Agnes!«, rief Elisabeth. Sie versuchte, sich durch die Menge einen Weg zu ihrer Schwester zu bahnen, doch Jakob hielt sie zurück.
    »Lass sie«, sagte er. »Sie hat sich entschieden und wird ihren Weg gehen. Was willst du ihr bieten? Willst du sie in ein Klosterstecken? Daraus würde sie bald entweichen und ihr altes Leben wieder aufnehmen. Sie weiß, was sie tut, glaub es mir!«
    Elisabeth hatte Tränen in den Augen. »Sie sieht krank aus!«
    »Du kannst ihr nicht mehr helfen, Elisabeth, lass sie gehen.«
    »Agnes, ich liebe dich, habe dich immer liebgehabt!«, rief Elisabeth ihrer Schwester hinterher.
    Die wandte den Kopf und winkte ihr huldvoll zu. Bernhard warf Agnes einen abschätzigen Blick zu. Dann reihte sich Agnes in den Zug der Menschen ein, die langsam zum Rhein hinuntergingen, flankiert von Bernhards Soldaten und den Wagen mit dem Proviant. Die Fahnen flatterten im Wind. Elisabeth hatte das Gefühl, neben sich zu stehen. Sie sah diese Menschen auf die beiden Schiffe steigen, ein Heer von zerlumpten, totenähnlichen Gestalten mit vor Kälte steifen Bärten, und
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