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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin
Autoren: Franz-Josef Körner
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war.
    Karl dankte ihm und begann: »Die Sache kam also ans Licht, weil die eigene Gemahlin Faliero verriet.«
    »So ist es.« Ferro nickte. »Sie schrieb einen Brief mit allen Einzelheiten des Komplotts und warf diesen in die
bocca di leone.
Bestätigt wurde ihre Anklage durch die Aussage eines Senators, den Faliero für seinen Verrat gewinnen wollte. Als ihm dies nicht gelang, befahl er seinen Schergen, Vendramin zu töten. Doch der entging dem feigen Anschlag auf sein Leben. Und wir hatten weiteres Glück. Wie Ihr gehört habt, gelang es uns, den Mörder des Dogen zu fangen. Unter der Folter gestand er alles und bestätigte die Verwicklung Falieros.«
    »Ich kenne den Engländer«, erklärte Karl grimmig. »Vor vielen Jahren tötete er auf dem Schlachtfeld von Crécy meinen Vater. Schon einmal wurde er hier in dieser Stadt gefangen und zum Tode verurteilt. Doch offensichtlich geschah damals ein Wunder. Ihm und seiner Komplizin gelang die Flucht vom Scheiterhaufen.«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Dem Gesetz nach dürfte er also nicht noch ein weiteres Mal zum Tode verurteilt werden. Eine missglückte Hinrichtung gilt als Urteil Gottes.«
    Ferro lächelte schief. »Die Sache hätte sich trotzdem regeln lassen. Man kann das Gesetz umgehen, indem man eine andere Hinrichtungsart wählt. Damals sollte der Spion im Feuer sterben. Jetzt wäre er gehenkt worden.«
    »Wäre?«
    »Ja. Leider ist der Engländer im Kerker verstorben. Den Henker erwartet deswegen selbst eine schwere Strafe. Er hat seine Arbeit verrichtet wie ein Dilettant. Ein zu Befragender darf während der peinlichen Befragung niemals sterben. Bestimmt hätte der Spion noch viele wichtige Geheimnisse ausgeplaudert.«
    Karl strich sich über den Bart und überlegte. Schon vor der Verhandlung hatte er erfahren, dass Sinead eine Tochter hinterlassen hatte. Seitdem verfolgte ihn der Gedanke, sie zu treffen. Einst hatte er Sinead so sehr geliebt, dass er sogar bereit gewesen war, für sie auf sein Königreich zu verzichten. Doch sie hatte ihn belogen, ausgenutzt und betrogen. Er wandte sich wieder an Ferro. »Das ist schade, aber es ist wohl nicht zu ändern. Was ist mit dieser Frau?«
    »Ihr meint die rothaarige Schönheit?« Ferros Lächeln war vieldeutig. »Sie war bei mir, und ich habe mit ihr gesprochen. Sie könnte einen schon in Versuchung führen.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Das weiß kein Mensch. Zuerst saß sie selbst im Kerker, weil wir dachten, sie sei an dem Dogenmord beteiligt gewesen. Doch der Engländer, der übrigens ihr Vater ist, hat sie entlastet. Auch den Vorwurf, sie habe zusammen mit ihrem Gemahl eine gefälschte Reliquie verkauft, mussten wir fallenlassen. Ihr habt bestimmt den Käfig oben am Campanile gesehen. Darin sitzt der Bursche, und er hat geschworen, seine Gattin wusste nichts von der Fälschung. Wir ließen sie also laufen. Seitdem ist sie verschwunden.«
    Der Kaiser schüttelte den Kopf. »Das ist alles so unfassbar! Ich möchte es gar nicht glauben.«
    Ferro nickte bedauernd und wartete höflich, bis der Kaiser weitersprach.
    »Wann ist die Hinrichtung der Verschwörer?«
    »Schon morgen. Es ist Venedig eine Ehre, dass Ihr als Kaiser des deutschen und römischen Reiches der Exekution beiwohnen werdet.«
    Der Kaiser bedankte sich und entließ Ferro. Dann erhob er sich und trat an eines der hohen Bogenfenster, die den Blick auf die Lagune freigaben. Er dachte an Sinead, an die Vergangenheit, die so lange geruht hatte. Jetzt, hier in Venedig, war sie wieder lebendig geworden. Er hatte den Engländer und Sinead durch die halbe Welt gejagt. Immer wieder konnten sie entkommen. Die unglaublichsten Dinge geschahen. So gelang Sinead auf einem Wagen mit Leichen die Flucht aus einer eingeschlossenen Peststadt. Schließlich hatte Faliero die beiden doch noch in Venedig gefangen und verurteilt. Sie standen schon auf dem Scheiterhaufen, und die Flammen loderten hoch, als sie dennoch entkamen. Danach verlor sich ihre Spur im Nirgendwo. Sinead gebar ihre Tochter, Cailun. Doch alles andere – der Weg des Engländers, ihre weiteren Schicksale – lag im Dunkeln. Nun hatte er erfahren, dass Sinead tot war. Nur ihre Tochter lebte. Aber Cailun war verschwunden wie einst immer wieder die Mutter, die diese Gabe offensichtlich an sie weitergegeben hatte, ebenso wie die Nähe des Todes, der anscheinend auch stets an Cailuns Fersen haftete.
    Morgen würde Marino Faliero, diesen selbstverliebten Machtmenschen, der schon damals immer nur die eigenen
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