Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin
Autoren: Franz-Josef Körner
Vom Netzwerk:
mich über die bunte Fracht, die abgeladen wurde. Erst als mir der Duft in die Nase stieg, erkannte ich, dass die Männer, die knietief in der Ladung standen, in aller Hast Blütenblätter in den schönsten Farben auf die Piazza schaufelten. Andere Bedienstete kletterten an den Fassaden der Prokuratien herum, um Wimpelketten zwischen den Gebäuden zu spannen. Die ganze urplötzlich über den Platz hereingebrochene Betriebsamkeit wirkte so hektisch, als habe der hohe Besuch Venedig völlig unvorbereitet getroffen. Später erfuhr ich, dass man den Kaiser erst Tage später erwartet hatte. Er war mit seinen Schiffen auf den Vorläufern eines Sturms gleichsam übers Meer geflogen.
    Erneut war es also kein einfaches Unterfangen, die kurze Strecke vom Campanile zum Dogenpalast zurückzulegen. Und so wie am Turm sah ich mich auch am Palazzo – als ich endlich dort angekommen war – zwei grimmigen Wächtern gegenüber, nur mit dem Unterschied, dass diese mir den Weg nicht mit gekreuzten Hellebarden versperrten. Sie hielten mir die Spitzen ihrer Spieße direkt unter die Nase.
    Ich setzte mein gewinnendstes Lächeln auf und flötete, getreu dem Grundsatz Frechheit siegt: »Signori ich bitte um Einlass. Der Doge von Venedig erwartet mich.«
    Für eine Weile tanzten die Eisenspitzen vor meinem Gesicht, dann senkten sie sich langsam. Die Wachen schienen unschlüssig, also hakte ich nach: »Signori Eurem Pflichtbewusstsein gebührt alle Ehre. Doch ist es nicht unklug, die Geduld des Dogen auf die Probe zu stellen, wenn er Besuch erwartet?«
    Sie berieten sich, nickten dann im Einverständnis und einer von ihnen verschwand im Inneren des Palazzos. Wenig später kehrte er mit einem livrierten Lakaien zurück, der mir mit einem herablassenden Wink bedeutete, ich solle ihm folgen. Ohne mich weiter zu beachten, schritt er in großspuriger Manier vor mir her, bis wir zu einer reich verzierten, zweiflügeligen Tür gelangten. Dahinter lag nicht jener Raum mit dem Muränenbecken, in dem Faliero mich sonst meist empfangen hatte. Doch es spielte keine Rolle, an welchem Ort ich um das Leben meines Vaters und die Freiheit Williams bettelte. Dafür hätte ich mich auch in einen Schweinekoben begeben.
    Entschlossen presste ich die Lippen zusammen. Nun denn, du König der Händler, dachte ich. Jetzt werde ich mit dir um Menschen handeln.
    Die Tür schwang auf, und ich trat ein. Der Mann, der mir hinter einem wuchtigen Tisch aus schwarzem Holz entgegenblickte, war mir gänzlich unbekannt.
    »Signore, ich wollte den Dogen …«, begann ich, doch er unterbrach mich mit einer gelangweilten Handbewegung.
    »Ich weiß, dass du jene Schönheit bist, die Faliero gerne hierher einlud. Doch du musst wissen, dass der Stern des Dogen untergegangen ist. Das heißt, du bist in Zukunft hier nicht mehr erwünscht.«
    »Signore, der Doge …«
    »Der Doge ist nur mehr ein Titel. Andererseits, dein Besuch kommt nicht ungelegen.«
    »Warum …«
    Wieder wedelte er mit der Hand, als wollte er etwas verscheuchen. Trotz seiner übertriebenen Gesten war er ein schöner Mann, mit edlen Zügen, schwarzem Haar und dunklen, tiefgründigen Augen. »Nenn mir den Grund.«
    »Wofür?«
    »Für deinen Besuch. Was willst du?«
    Ich hatte mir die Worte für den Dogen genau zurechtgelegt. Doch wie sollte ich mein Anliegen diesem Mann vortragen? »Wer seid Ihr überhaupt?«, fragte ich unsicher.
    Sein Lächeln war mit einem Mal gewinnend. Bestimmt hatte er damit schon manches Frauenherz gebrochen. »Ich begleite im Rat das Amt eines Prokurators. Mein Name ist Gentile Ferro. Also: Was ist der Grund deines Besuchs?«
    Ich stotterte, nicht nur, weil sein Blick mich durcheinanderbrachte. »Ich wollte … wie gesagt … der Doge …«
    Er lachte: »Der Reihe nach. Und immer mit der Ruhe. Hier geschieht dir nichts.«
    Ich holte tief Luft: »Ich habe eine Bitte. Nein zwei.«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Nur zu. Ich höre.«
    Wieder begann ich zu stottern. »Mein Gemahl … er ist … ihr habt ihn …«
    »Ich weiß. Das ist der arme Teufel, der oben am Campanile im Käfig hockt.«
    »Ich wollte den Dogen bitten, dass er …«
    Ferros Hände, mit denen er sprach, waren schlank und feingliedrig – so wie Frauen sich Männerhände vorstellen, von denen sie berührt werden wollen. Wieder geboten mir diese Hände zu schweigen. »Nein. Er hat eine milde Strafe erhalten, die er verbüßen muss.«
    »Aber hundert Tage, dort oben …!«
    »Das Urteil wurde gefällt und ist nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher