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Die Knochen der Goetter

Die Knochen der Goetter

Titel: Die Knochen der Goetter
Autoren: Boris Pfeiffer
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Mühle in Bewegung hält.«
    Giorgios Augen blitzten empört auf. »Du wagst es, meine Worte mit einem alten equus asinus zu vergleichen? Mein lieber Paolo, meine Worte sind Ausdruck der höchsten Gedanken. Und wenn du nicht mein geliebter Bruder wärest, ich würde dich selbst einen Esel schimpfen!«
    Fassungslos starrte Rufus die Szene an, die sich vor ihm abspielte. Ganz offensichtlich handelte es sich bei den beiden Gestalten um die Brüder, die draußen auf der Hausfassade als Gebr bezeichnet wurden, also die Gründer der Bank. Und hier stritten sie gerade um den Namen der Akademie, ihrer »Academia«.
    Plötzlich zuckte Rufus zusammen.
    Wenn das stimmte, dann sah er gerade eine Szene vor sich, die sich 1392 abgespielt hatte.
    Energisch schüttelte Rufus den Kopf. So etwas gab es nicht. Natürlich nicht! Das Ganze musste eine Projektion in 3-D sein. Aber wo war der Projektor versteckt? Die Nummer wirkte jedenfalls besser als das Holodeck bei Raumschiff Enterprise, denn Rufus konnte jetzt auch den Geruch und die Hitze des Feuers wahrnehmen. Aber das konnte nicht sein! Wenn das, was er vor sich sah, eine Projektion war, dann konnte das Feuer nicht heiß sein. Und trotzdem spürte Rufus die Hitze auf seinem Gesicht.
    Er musste es auf einen Test ankommen lassen. Rufus stand auf, ließ das Buch los und bewegte sich vorsichtig auf die beiden jungen Männer zu. Im selben Moment begannen ihre Gestalten zu verschwinden. Erschrocken wich Rufus zurück.
    »Du darfst das Buch nicht loslassen«, hörte er Direktor Saurinis Stimme. »Berühre das Artefakt!«
    »Was?«, stieß Rufus hervor.
    »Das Buch, du musst es anfassen.«
    Ohne zu zögern, griff Rufus erneut nach dem Buch.
    Im selben Augenblick sah er die Brüder wieder klar vor sich. Gerade rief Giorgio: »Also gut, Bruderherz, um des lieben Friedens willen. ›Academia zum leibhaftigen Studium aller Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann‹. Das versteht jeder, denn es klingt so simpel wie eine Drehleier und erinnert doch zumindest an die Kraft des wachen Verstandes.«
    Aber Paolo schüttelte den Kopf. »Es klingt immer noch wie eine Katze, die man am Schwanz zieht. ›Academia der Abenteuer‹!«
    Rufus, der das Buch fest umklammert hielt, musste grinsen. Dieser Paolo war wirklich stur.
    »Aber in jedem Buch über die Geschichte wird man sich totlachen über diesen Namen. Er ist nicht wissenschaftlich. Und darum mein letzter Vorschlag, Paolino: ›Academia des leibhaftigen Studiums vergangener Zeiten‹!«
    Paolo nickte zufrieden. »Das ist endlich ein Vorschlag, mit dem sich leben lässt, Bruderherz. Aber auch nur, wenn ich sie den Schülern gegenüber ›Academia der Abenteuer‹ nennen darf.«
    Giorgio stöhnte laut. Dann ließ er sich auf einen Schemel sinken und nickte ebenfalls.
    »Abgemacht! Von außen wird sie sowieso jeder für eine schnöde Bank halten.«
    »Abgemacht!«, rief nun auch Paolo. Und plötzlich breitete sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Wirklich wichtig ist doch nur, was wir und die Studenten hier tun und erleben werden. Die Academia ist der einzige Ort der Welt, der den Menschen die vergangene Zeit wirklich zurückbringt und ihre Geschichten erzählt.«
    »Und ob!«, rief Giorgio. »Eine wahre Quelle der Geschichte.«
    Rufus sah, wie die beiden jungen Männer sich zulachten und dann in die Arme fielen. Im selben Moment war ihm, als führe ein scharfer Wind auf ihn zu und striche kalt über seine Stirn. Sofort darauf verblassten die Brüder und Direktor Saurini kam wieder zum Vorschein.
    Neugierig musterte er Rufus.
    Mit einem Seufzer ließ dieser das Buch los. Das Zimmer des Direktors sah jetzt aus wie vorher. Die Brüder, das flackernde Kaminfeuer, alles, was eben noch den Raum vor seinen Augen erfüllt hatte, war verschwunden.
    Hatte er geträumt? Aber wie konnte das sein? Er hatte bestimmt nicht geschlafen. Und die ganze Szene hatte sich zu echt angefühlt für eine Projektion. Aber wieso musste er dazu das Buch berühren? So was gab es sonst nur in Science-Fiction-Filmen. Rufus sah Direktor Saurini an.
    »Was ist das für ein Buch?«, fragte er. »Was sieht man, wenn man es anfasst?«
    »Das Buch ist nur ein Teil der Wahrheit«, antwortete der Direktor. »Ich werde es dir noch erklären. Aber zuerst meine Frage. Was stellst du dir unter dem Namen der Akademie vor? Denn was auch immer du eben vielleicht gesehen hast – ich habe es nicht gesehen!«
    Rufus blickte
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