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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte
Autoren: Mo Yan
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warf sich herum und kam mit einer unbeholfenen, stockenden Bewegung wieder in die Höhe. Den Hintern hochgestreckt, alle viere am Boden, sah er aus wie ein Kleinkind, das krabbeln lernt.
    Gao Yang zuckte es in den Mundwinkeln, und er hörte, wie eine fremde und doch vertraute Stimme in seinem Kopf sagte: Du darfst nicht lachen. Merk dir: Du darfst nicht lachen.
    Er konnte nicht lachen, er konnte nicht weinen, als er, ein kleiner Junge, barfuß auf der Straße stand, in einem Regenumhang aus Stroh, mit unbedecktem Kopf, der borstig war wie ein Igel. Der große Regen war vorüber, die schweren Wolken rissen auf, und ein breiter Streifen goldenen Sonnenscheins brach hervor. Die Sonne kam von Westen, am Osthimmel baute sich ein Regenbogen auf. Plätschernd floß das Wasser über die Straße und schwemmte Hühnerfedern, Knoblauchschalen und tote Mäuse vorbei. Eine Schar nacktärschiger Kinder hatte sich um einen schwarzen Misthaufen versammelt. Sie hielten Weidenzweige und Holzstücke in den Händen, mit denen sie auf einen Frosch einschlugen. Unter ihren Hieben schwoll der Bauch des Frosches immer mehr an. Der Frosch kniff die Augen zusammen. Er streckte die Beine von sich, der Bauch blähte sich enorm. Klatsch, klatsch. Schlagt schneller, schlagt schneller. Peng! Der Frosch platzte.
    Du darfst nicht weinen, du darfst nicht lachen, Gao Yang!
    Der Regenbogen verblaßte, der Himmel war dachziegelblau, die Sonne ein Feuerbrand.
    Peng!
    Der stotternde Polizist sprang aus dem Fenster. Er trat mit seinem schweren Lederstiefel in den Topf und blieb darin stecken. Mit einem Bein stand er im Topf, das andere stemmte er von außen gegen den Topfrand. In der rechten Hand hielt er den Schlagstock, mit der linken stützte er sich vom Boden ab. Der andere Polizist kam zur Tür herausgestürmt. Er hielt die Pistole in der Hand und rief laut:
    »Stehenbleiben, stehenbleiben, oder ich schieße!«
    Aber er schoß nicht. Gao Ma sprang behende über die eingestürzte Mauer und schnellte mit großen Schritten über den Weg. Die alten Hennen, die auf dem Unkrauthaufen ihre Flügel sonnten, flatterten erschreckt hoch und rannten Gao Ma gackernd hinterher. Die Mütze des stotternden Polizisten fiel von der Fensterbank auf sein hochgerecktes Gesäß und rollte über den Boden, bis der Polizist mit der Pistole sie mit dem Fuß stoppte.
    Er stieß die Mütze seines Kollegen mit einem Fußtritt fünf Meter weit weg, dann sprang er über die kaputte Mauer. Der stotternde Polizist hob den Knüppel und schlug auf den Eisentopf, daß die Splitter flogen. Der Topf brach knallend auseinander. Behutsam zog er sein Bein zwischen den Scherben hervor. Der Polizist hat was am Bein, dachte Gao Yang. Der stotternde Polizist nahm seine Mütze vom Boden, setzte sie auf und sprang ebenfalls über die eingefallene Mauer.
    Gao Ma lief in den Akazienwald. Gao Yang drehte mühsam den Kopf und sah ihm nach. Gao Ma bewegte sich unbeholfen.
    Er wirkte fast wie ein Blinder. Er schwankte vorwärts und blickte im Laufen nach hinten. Dabei stieß er gegen dünne Akazien, die zurückschnellten, und gegen dicke, die knarrten. Gao Yang verzweifelte schier. Warum rennst du so langsam, Gao Ma? Lauf schneller! Die Polizei verfolgt dich. Beweg deine langen Beine und Arme schneller! Im buntgesprenkelten Schatten der Akazien hüpften weiße und gelbe Lichtpunkte über Gao Mas dunkelbraune Haut. Beunruhigt sah Gao Yang, daß Gao Mas Beine langsamer wurden. Er ruderte wild mit den Armen. Sieh nicht nach hinten, dummer Kerl! Mit seinen gebleckten Zähnen und dem mageren verzerrten Gesicht sah Gao Ma wie ein Pferd aus.
    Die beiden Polizisten liefen hintereinander durch den Wald. Der stotternde Polizist zog das rechte Bein nach. Das war der Eisentopf, geschieht ihm recht. In Gao Yangs Knöchel saß immer noch ein spitzer scharfer Schmerz, als sei der Knochen zersplittert. Geschieht dir recht, geschieht dir recht. Er knirschte mit den Zähnen. Das Geräusch dröhnte in seinen Ohren.
    »Stehenbleiben! Verdammt! Stehenbleiben, oder ich schieße«, schrie der Polizist mit der Pistole. Aber er schoß nicht. Wie ein Hase sprang er geduckt von einem Baum zum anderen, die Pistole immer im Anschlag.
    Der Wald endete an einer mannshohen Erdmauer, auf der eine Regenschutzmatte aus Stroh lag. Gao Yang sah mit verdrehtem Kopf, daß Gao Ma die Mauer erreicht hatte und plötzlich verwirrt innehielt. Die beiden Polizisten kamen ihm gefährlich nahe. Jetzt hatten sie beide ihre Pistole in der Hand und
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