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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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einen Moment vor, wir wären ein Ethnologe wie Claude Levi-Strauss und beugten den Kopf über eine dieser mythischen Erzählungen, die ihm von der Welt der Wilden zugetragen worden sind. Wer sind diese Wilden, die in den Spiegel schauen und das Klima zurückblicken sehen? Können wir eine Struktur erkennen, eine Symmetrie?“
    Im Anschluss entspinnt sich im Kommentarteil eine lange Diskussion über die Bedeutung dieser neuen symbolträchtigen Kurve. Es meldet sich ein Skeptiker zu Wort, der die Gelegenheit nutzt sein Mantra zu deklamieren, dass kein Zusammenhang zwischen Anstieg von CO 2 und der Temperatur nachweisbar sei. Andere Kommentatoren kritisieren, dass hier wieder einmal irgendein Forschungsergebnis durch die Medien zu einer Katastrophe umgedeutet und „aufgesext“würde. In die übliche Medienschelte mischen sich aber auch nachdenkliche Stimmen und Überlegungen, inwieweit die Forscher selbst den Symbolwert gleich mitliefern, der die Kurve erst ins Rampenlicht bringt. Die originale Pressemeldung der US-Wetterbehörde NOAA wird im Internet recherchiert, und tatsächlich, auch hier sind die Daten schon als Überschreitung eines Grenzwertes gekennzeichnet. Ein anderer Kommentator verweist auf den Konstruktionscharakter wissenschaftlicher Erkenntnis, was wütende Naturwissenschaftler auf den Plan ruft, die objektive Erkenntnis vor konstruktivistischem „anything goes“ verteidigen. Der Klimawandel sei ein wissenschaftlicher Fakt, eine objektive Realität, die vor den Relativierungen der Kulturwissenschaftler geschützt werden müsse. Worüber die Skeptiker nur lachen können, da ihrer Meinung nach die Wissenschaft genau das Gegenteil beweise. Es kommt zu gegenseitigen Angriffen und fast schon rituellen Beleidigungen, die den Ethnologen wiederum an das Stammesverhalten in der Klimadebatte erinnern.
    So mäandert die Debatte ausgehend von einem Messwert in der Arktis wie ein langer Fluss vor sich hin und setzt das Globale und das Lokale, das Private und das Öffentliche, den Süden und den Norden und letztlich Gott und die Welt zueinander in Beziehung. Am virtuellen Lagerfeuer der „Klimazwiebel“ finden sich Natur- und Geisteswissenschaftler, Skeptiker und Warner, Experten und interessierte Öffentlichkeit ein. Gemeinsam diskutieren sie anhand einer Messung in der Arktis die Welt und was sie zusammenhält, und schreiben so, ungeachtet der unterschiedlichen Meinungen, die Klimaerzählung fort.
    „Wir sind nie modern gewesen“ 2 heißt, die Hoffnung aufzugeben, dass „die Wissenschaft“ in den Kreis ans Lagerfeuer treten, den diskursiven Knoten mit dem Schwertschlag der Erkenntnis durchtrennen und die Klimafrage lösen wird. Vielmehr finden sich auch die Klimawissenschaftler am Lagerfeuer wieder, wo sie geduldig die Irrtümer der Laien berichtigen und gleichzeitig mit neuen Fakten und Behauptungen die Geschichten immer weiter befeuern. Wie alle anderen müssen auch sie über ihre Ansichten Rede und Antwort stehen, ihre Erkenntnisse auf den Prüfstand der Realität stellen und ihre Meinungen dem demokratischen Prozess aussetzen.
    Wie die furchtlosen Gallier in den Asterix-Heften haben auch wir Menschen des 21. Jahrhunderts Angst, dass uns der Himmel eines Tages auf den Kopf fällt. Und wie die Vormodernen, die man früher noch „die Wilden“ nannte, versuchen wir, diese Gefahr zu bannen. Der Klimawandel ist Thema an vielen Lagerfeuern, an globalen wie auf dem Weltgipfel Rio +20, an virtuellen in der Blogosphäre, in Parlamenten und Bürgerversammlungen, in Schulen und am Mittagstisch. Der Klimawandel bringt immer neue Formen von Versammlungen und Parlamenten hervor, und überall versuchen die Menschen, das Klima in angemessener Form zum Teil ihres Alltags, der Politik und ihres Weltbilds zu machen.
Wege aus der Klimafalle
    In diesem Buch werden wir einige dieser Lagerfeuer besuchen und dabei die Rolle der Klimawissenschaften jeweils genauer unter die Lupe nehmen. Wir Autoren sind beide zugleich Beteiligte und Beobachter dieses Prozesses und werden aus der klassischen ethnologischen Perspektive der teilnehmenden Beobachtung gemeinsam wichtige Etappen der Klimaforschung und der Klimadebatte Revue passieren lassen. Der rote Faden ist die Dynamik, mit der sich die Rolle der Klimawissenschaften permanent verändert. Unser Bericht gleicht dabei mehr den Aufzeichnungen aus den Tagebüchern der Ethnologen als einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Arbeit.
    Das Buch ist ein Kondensat des Dialogs zwischen einem
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