Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe
Autoren: Roman Rausch
Vom Netzwerk:
einem Nebenraum Platz genommen. Valthin war ganz aufgeregt wegen des hohen Besuchs, der sich in diesen Zeiten nur selten einstellte. Er schickte nach dem besten Wein, den sein leerer Keller noch hergab, und trug Grit auf, besonders umsichtig mit dem Stadtrat und den Hexenkommissaren zu sein. Sie seien allesamt gottesfürchtige Männer, die es nicht schätzten, wenn sich junge Dinger allzu offenherzig benähmen.
    Nach dem zweiten Krug Wein musste sie jedoch feststellen, dass Alkohol bei den hochgestellten Herren die gleiche Wirkung zeigte wie bei allen anderen. Auch sie fanden Gefallen an der jungen, hübschen Grit – mit einer Ausnahme: der Stadtrat Christian Dornbusch. Er war nicht nur jünger als die anderen, sondern auch besser aussehend und zurückhaltender. Die schwarze Robe und der weiße Kragen machten zwar einen würdevollen und distanzierten Eindruck, aber Grit merkte bald, dass sich dahinter doch ein anderer Mensch verbarg. Er wirkte weniger herrisch und prahlend als Faltermayer, dessen Blicke und Anzüglichkeiten ihm sichtlich unangenehm waren.
    Grit duldete die Avancen, so wie es Valthin ihr aufgetragen hatte. Das fiel ihr nicht weiter schwer, denn sie beachtete Faltermayer überhaupt nicht. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf den jungen Stadtrat. Dieser erwiderte ihre Zuneigung jedoch kein bisschen, er wich den Blicken und dem koketten Lächeln sogar aus.
    «Verzeiht, Herr», sprach sie ihn in einem günstigen Moment an. «Gefalle ich Euch nicht?»
    Christian Dornbusch zeigte sich überrascht, fast schien es, als erröte er. «Was hast du gesagt?»
    «Ich fragte, ob ich Euch unangenehm bin?»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Nun, Ihr beachtet mich nicht.»
    Er räusperte sich. «Du irrst. Ich habe dich durchaus gesehen, aber ich frage mich, ob das ein Ort für ein junges, hübsches Mädchen ist.»
    «Ich bin kein Mädchen mehr. Ich bin älter, als Ihr denkt.»
    «Recht hat sie», fiel ihr Faltermayer ins Wort. «Schaut sie Euch nur an. Sie hat alles, was eine gebärfähige Frau haben sollte.» Dabei klatschte er ihr aufs Hinterteil, wie es die Pferdehändler machten, wenn sie besonders zufrieden mit einem ihrer Gäule waren. Der andere Hexenkommissar, Dürr, lachte verhalten. Er war eine beängstigende Erscheinung – schmal und bleich, dem Tod ähnlich.
    Die Bemerkung widerte Christian sichtlich an, es war klar, in welche Richtung sie zielte. Seine Frau Felicitas und er hatten zum dritten Mal eine Fehlgeburt zu beklagen. Die Hausbediensteten fragten sich allmählich, was mit der Herrin nicht stimmte. Sie war eine gesunde junge Frau. Es sprach überhaupt nichts dagegen, dass sie ihrem Mann endlich die Nachkommenschaft sicherte. Folglich musste etwas anderes dahinterstecken.
    Eine Magd wollte eine Erklärung kennen.
Die junge Herrin nimmt es gar zu streng mit der Sitte. Statt Rosenkranz und Weihwasser sollte sie es einmal mit dem Wein versuchen … oder mit einem Liebhaber.
    Doch Wein war in den Augen von Felicitas Teufelszeug, ebenso wie das Vergnügen. Freude empfand sie allein in der Hingabe zu Gott. Christian glaubte zwar auch an die Heilsbotschaft, doch weit weniger verkrampft als Felicitas. Manchmal wünschte er, der Herr führe hernieder und gäbe seiner jungen Frau mehr Gelassenheit. Doch dieser Wunsch ging nicht Erfüllung. Das Einzige, was ihm geschenkt wurde, war ein totes Kind nach dem anderen.
    Grit ahnte davon nichts. «Hört nicht auf sie, edler Herr. Sie können mir nicht wehtun. Ich sehe sie nicht einmal.»
    Die anmaßende Bemerkung ging dem vornehmen Faltermayer zu weit. «Hüte deine Zunge. Du wärst nicht die Erste, die ihr Schandmaul im Feuer büßt.»
    «Weil ich die Wahrheit spreche, Herr?», antwortete sie.
    «Weil du ein freches und vorlautes Weibsbild bist. Weißt du nicht, mit wem du sprichst?»
    Christian Dornbusch gebot ihr innezuhalten. «Schweig, Kind. Du spielst mit deinem Leben.»
    Doch Grit kannte keine Hemmungen. Bisher war immer alles gutgegangen.
    «Beim Wein sind alle Männer gleich. Da schert es mich nicht, wenn die Hand, die mich berührt, die eines Bischofs oder die eines Bettlers ist.»
    Faltermayer fuhr auf. «Hat man dir den Verstand verhext?» Er schaute sich nach einem Stadtknecht um, der das liederliche Weibsbild festnehmen sollte.
    Dornbusch trat ihm entgegen. «Werter Hexenkommissar, beruhigt Euch. Sie ist noch ein Kind, das nicht weiß, was es sagt.»
    «Sie hat den Verstand verloren.»
    «Daher lasst Gnade walten.»
    «Viel zu lange schon treiben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher