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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Autoren: James Barclay
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denkbar, dass er einfach nur eine Oberherrschaft gegen eine andere austauschte. Auf beiden Seiten von Völkern bedrängt, die ganz ähnliche Versprechungen hinsichtlich der langfristigen Zukunft von Atreska machten, fand er keinen Ausweg. Er war allein. Jetzt verfluchte er die Tatsache, dass er Megan fortgeschickt hatte. Sie hätte ihm helfen können, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Als sich die Dämmerung über die Stadt senkte, blieb draußen alles ruhig. Er hatte alle vier Tore für die Flüchtlinge wieder öffnen lassen und sich mit dem Großteil seiner Truppen von den Mauern zurückgezogen. Nachdem die tsardonische Kavallerie sich entfernt hatte, war kein allgemeiner Alarm ausgelöst worden. So schöpften die Menschen wieder etwas Hoffnung, aber vor allem waren sie verwirrt. Eine kleine Atempause. Denn am nächsten Tag wäre der Feind wieder da.
    Yuran konnte nichts weiter tun. Er musste warten, ob Rensaark sein Versprechen wahr machte. Allerdings traf ihn die Größe der tsardonischen Geste völlig unvorbereitet.
    Im Morgengrauen wurde er geweckt und eilte in einer Kutsche zu den Mauern, während die Einwohner von Haroq jubelten und seinen Namen riefen. Niemand wollte ihm verraten, was der Grund dafür war, denn alle gingen davon aus, dass er es bereits wusste, und er war ein viel zu erfahrener Politiker, um ihnen solche Vorstellungen wieder auszutreiben. Vielleicht hatte es auch gar nichts mit den Tsardoniern zu tun, vielleicht näherten sich die Legionen der Konkordanz, die seine Stadt beschützen würden.
    Als er den Balkon erreichte, blickte er auf ein Meer von atreskanischen Soldaten und Kavalleristen hinab. Rensaark war bei ihnen, und ständig stießen weitere Verbände hinzu. Sie jubelten, als sie ihn sahen, schwenkten die Banner ihrer Legionen und winkten mit erhobenen Fäusten. Die Gefühle drohten ihn zu überwältigen, und er musste sich beherrschen, als ihm die Tränen in die Augen schossen. Im Laufschritt verließ er den Balkon, befahl den Wächtern, das Tor zu öffnen, und ging ihnen entgegen, um sie persönlich zu begrüßen. Rensaark stieg vor seinen Leuten ab und ging ihm entgegen.
    »Wir wollen euch nichts Böses«, sagte der Sentor. »Hier ist mein Beweis. Schlagt euch auf unsere Seite und gewinnt eure Unabhängigkeit zurück.«
    »Wie viele sind es?«, fragte Yuran.
    »Soldaten und Reiter der Neunten Ala, die Starken Speere, und die Achte Ala, die Haizähne. Mehr als sechstausend Männer und Frauen. Es tut uns um jeden leid, der in Scintarit sterben musste. Diese hier übergeben wir dir bedingungslos und voll bewaffnet.«
    Als er die letzte Bemerkung hörte, fuhr Yuran erschrocken auf. Rensaark entging dies nicht, und er nickte.
    »Du kannst uns nicht besiegen«, sagte er. »Das wird dir jeder dieser tapferen Bürger bestätigen. Es liegt auch keine Gefahr darin, sie freizulassen und dir zu übergeben. Sorge dafür, dass nicht noch mehr atreskanisches Blut im Namen einer Konkordanz vergossen wird, die unfähig ist, euch zu verteidigen. Schicke die Leute wieder in ihre Häuser und Villen. Lasse sie friedlich auf ihren Feldern und in den Werkstätten arbeiten. Erkläre heute noch deine Unabhängigkeit. Tu es, Marschall, denn wir werden nicht mehr umkehren. Der Krieg wird zur Konkordanz getragen. Sorge dafür, dass es nicht dein Krieg ist.«
    Schon bevor er aus dem Bett gescheucht worden war, hatte Yuran es gewusst. Am Ende gab es keine andere Möglichkeit. Yuran blickte an Rensaark vorbei zu seinen Bürgern. Da waren sie. Bereit, wieder in ihre Häuser und zu ihren Familien zurückzukehren. Bewaffnet und gerüstet.
    »Wenn ich mich dafür entscheide, brauche ich verbindliche und verlässliche Zusagen von deinem König. Innerhalb und außerhalb meines Landes werden die Agenten der Konkordanz mich und alle hetzen, die zu mir stehen. Und wenn ich dich einlade, dann bin ich mir dabei keineswegs sicher, dass deine Truppen jemals wieder abziehen werden.«
    »Deine Sorgen sind nur zu verständlich«, erwiderte Rensaark, während er sich lächelnd verbeugte. »Deshalb werden ich und mein General bei dir in der Burg sitzen, ehe die tsardonischen Truppen auch nur einen weiteren Schritt in dein Land hinein tun. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg zur Befreiung für dich und dein ganzes Volk. Öffnet eure Schreine, riecht den Duft der Freiheit. Wir sind eure Freunde und Verbündeten. Zusammen können wir die Konkordanz besiegen.«
    »Zusammen?«
    »Oh ja«, sagte Rensaark. »Tsardonier und Atreskaner
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