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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Autoren: James Barclay
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das Hypokaustum unter den Bodenfliesen streichen. Auf diese Weise wurden die empfindlichen Neugeborenen zusätzlich von unten gewärmt.
    Kessians unergründliche grüne Augen blitzten unter den haarlosen Augenbrauen. »Wundervoll und kostbar. Auf ihnen ruhen all unsere Hoffnungen und Wünsche, auch wenn sie es nicht wissen.« Er nickte. »Auch ihre Namen billige ich, alle sind gut gewählt.«
    Er streckte seine leicht zittrige Hand aus und berührte der Reihe nach jedes Kind an der Stirn, während er leise Worte sprach.
    »Mirron, vieles wird auf deinen Schultern ruhen. Du wirst neben allen anderen Bürden auch die Schmerzen der Mutterschaft ertragen müssen. Deine Linienbrüder, die heute neben dir liegen, werden dich stets so unterstützen, wie du sie unterstützt. Ossacer und Arducius, ihr tragt zwar die Namen großer Kriegshelden, aber niemals sollt ihr euch gezwungen sehen, einen anderen zu erschlagen. Euer Schicksal ist der Friede. Gorian, du bist mit dem Namen unseres Vorvaters gesegnet. Werde ihm gerecht und ehre sein Andenken. Erfülle deine Bestimmung und erreiche zusammen mit deinen Brüdern und deiner Schwester, was wir nicht vermögen. Nutze die Gabe zu unser aller Wohl unter den Augen des Allwissenden.«
    Er wandte sich an Willem Geste von der zweiten Linie, der seit hundert Jahren sein Freund war. »Willem, ein Gebet.«
    Die Autoritäten rückten zusammen und ließen sich auf ein Knie nieder. Eine Hand berührte den Boden, die andere hoben sie geöffnet zum Himmel. Shela legte die Hände auf zwei Kinderbetten und schloss in Gedanken auch die anderen Neugeborenen ein.
    »Vor dir, unserem Gott, stehen die Vertreter des Aufstiegs und empfehlen diese Neugeborenen deiner Obhut an. Wir beten, dass diese Kinder deine mächtigsten Diener auf unserer Erde werden. Wir geloben, sie zu ernähren und auszubilden, damit sie dein Werk verrichten, solange du ihnen zu leben gewährst. Wir bitten dich, sie zu schützen, über sie zu wachen und sie zu lieben, wie du alle deine Kinder liebst. Darum bitten wir dich im Namen des wahren Glaubens an den Allwissenden. Wir von den reinen Linien des Aufstiegs senden dir, unserem Gott, dieses Gebet. So soll es sein.«
    »Wie es immer war«, schlossen die anderen.
    »Danke, Willem«, sagte Kessian, während er sich wieder erhob. »Bevor Shela uns alle hinauswirft, sollten wir vielleicht freiwillig Abschied nehmen und die Kleinen ruhen lassen.«
    »Darf ich noch etwas bei ihnen bleiben?« Jen Shalkes Frage klang sehr enttäuscht.
    Kessian legte einen Finger auf die Lippen. Shela lächelte in sich hinein.
    »Gleich, junge Jen«, sagte er. »Aber zuerst, Gwythen und Meera, müsst ihr wieder ins Bett. Was ist nur in euch gefahren, dass ihr so kurz nach der Geburt so lange bei uns steht? Ihr müsst erschöpft sein.«
    »Wir sind Autoritäten des Aufstiegs«, erwiderte Gwythen Terol, Mirrons Mutter. »Es ist unsere Pflicht.« Sie sprach voller Stolz, doch ihr Gesicht war verschlossen.
    »Dennoch, ruht euch jetzt bitte aus«, sagte er sanft, und trotz des milden Vorwurfs klang seine Stimme so warm wie immer.
    »Willem, Genna, wir haben viel Arbeit, wir müssen die Texte studieren. Dort gibt es Antworten, die wir noch nicht gefunden haben, auch wenn ich glaube, dass vieles von dem, was wir wissen wollen, dort in diesen Kinderbetten schlummert. Alles andere muss warten, bis wir erkennen, was aus ihnen wird.
    Und was dich angeht, junge Jen, so bin ich sicher, dass Shela sich in den kommenden Tagen und Jahreszeiten über deine Gesellschaft freuen wird. Heute aber muss unsere Amme sich allein mit ihren Schutzbefohlenen bekannt machen. Unterdessen gilt es, Fische zu fangen, und die Fischer möchten wissen, wo sie ihre Netze auswerfen sollen. Es ist ein schöner Tag, das Meer ist warm. Vielleicht findest du einen Schwarm für uns? Denn sonst wird das Fest heute Abend nicht so schön, wie es werden sollte.«
    Jen lächelte anbetungsvoll, und wieder empfand Shela einen Funken Neid auf die Fähigkeiten der jungen Wassergeborenen. Auch sie selbst hatte eine Weile die Freiheit der Welt unter den Wogen auskosten dürfen, bis ihr alles wieder entrissen worden war. Oft träumte sie von den Dingen und Orten, die sie gesehen und besucht hatte. Wenn Jen darüber sprach, durchlebte sie noch einmal ihre eigene Vergangenheit, und wenn es nach ihr ging, dann war sie die Einzige, die diese junge Frau wirklich verstehen konnte. Sie standen einander sehr nahe. Shela senkte den Blick. Auch wenn sie als
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