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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn
Autoren: Stross Charles
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sie eine von euch?«
    »Oh ja.« In Wirklichkeit bin ich gar nicht in Stimmung für dieses Spielchen, schon gar nicht nach Lindys leidenschaftlichen Umarmungen. Aber ich bin mir sicher, dass mein Seelenfriedhof Juliettes Chip enthält, also kann ich es getrost ihr überlassen, mit Paris klarzukommen. (Es sei denn, Juliette zählt zu den Dummköpfen, die aufgrund des deplatzierten Wunsches, sich auch posthum eine Privatsphäre zu sichern, beim Sex den Chip herauszogen.) »Vielleicht können wir uns – je nach Ihrem Zubehör und Ihren … Adaptern – miteinander arrangieren«, stelle ich Paris in Aussicht. »Was können Sie mir denn anbieten?«
    »Ich zeig’s Ihnen.« Während er breit grinst, rollt hinter mir ein vornehmer rot gepolsterter Wagen heran, der sehr einladend wirkt. »Wenn Sie Platz nehmen möchten?«
    Das Cinnabar Paris ist luxuriös, traditionsbewusst und diskret. Unverzüglich bringt mich der Wagen durch die Lobby und in den sechsten Stock hinauf, wo mir mein Gastgeber die Hochzeitssuite zuweist. »Viele unserer Zimmer haben Decken, die für Sie zu niedrig sind«, erklärt er. »Deshalb dachte ich, dass Sie’s hier
bestimmt bequemer haben. Sicher haben Sie eine anstrengende Reise hinter sich; also entschuldigen Sie mich jetzt bitte! Sie können mich jederzeit rufen, falls Sie irgendetwas benötigen.« Gleich darauf sorgt er dafür, dass sich seine mobile Verkörperung – der Wagen – zurückzieht, und lässt mich allein. Die Suite ist luxuriös ausgestattet, mit Teppichen ausgelegt und halb so groß wie ein Raumhafen. Die Fenster aus Diamantglas bieten eine Aussicht auf die Kuppel oberhalb der Stadt und den von Bergen gesäumten Horizont.
    Ich schaffe es gerade noch, bis zur rosa tapezierten Schlafnische hinüberzuwanken – dort wachen vergoldete Putten über einem Wasserbett, das Volumen genug hat, das ganze Hellasbecken zu bewässern, und von Füllhörnern und Triumphsäulen flankiert wird -, dann setze ich mich und nehme mir meine Tasche vor. Als ich sie aufmache, muss ich feststellen, dass der Seelenfriedhof mit Frost überzogen ist, ein Souvenir des Weltraums. Um das Kästchen zu erwärmen, hauche ich darüber und klappe danach den Deckel auf. Lichtdurchlässige Seelenchips stehen in der zerschlissenen Samtauskleidung ordentlich in Reih und Glied. Ich fahre mit dem rechten Zeigefinger darüber und ertaste mit Hilfe meiner Einlesevorrichtung ihre Aufschriften, bis ich Juliettes »Grabstein« finde. Falls ich mich richtig erinnere, war ihr Tod, der noch nicht lange zurückliegt, ein weiterer Selbstmord innerhalb unserer Familie. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass dieser Chip ziemlich unerwartet bei mir eintraf. In letzter Zeit hat es meine Schwestern so schnell hintereinander dahingerafft, dass ich mit dem Abspielen ihrer Erinnerungen gar nicht mehr nachkomme. Mir läuft ein Schauer über den Rücken: Welche für mich bestimmten Geheimnisse wären mir für alle Zeiten verborgen geblieben, wäre es dem Einbrecher gelungen, mir den Seelenfriedhof zu stehlen?! Eine Minute lang behalte ich Juliettes Seele in meiner zusammengeballten Faust, um sie anzuwärmen, dann schiebe ich den Chip in die leere Buchse unterhalb meines Haaransatzes. Danach lege ich mich hin, stöpsle mich ins Stromnetz der Suite ein (kostenlose Nutzung im Service inbegriffen …) und
fahre auf Wartungsmodus herunter. Das ist alles, was ich von den folgenden Stunden noch weiß.

    Mir ist klar, dass dieser Vorgang euch vielleicht gar nichts sagt und ich ihn deshalb ausführlich erläutern sollte, doch auch ich selbst bin in die Mysterien der Reproduktion nicht eingeweiht. Falls ihr nach einer technischen Erklärung sucht, seht besser anderswo nach. Ich kann euch nur sagen, dass es innerhalb meiner Knochen Hohlräume gibt, die mit technischen Hilfsmitteln gefüllt sind, von uns als »Mark« bezeichnet. Diese Hilfsmittel können Mechanozyten aus dem Verkehr ziehen und neu bilden, sie von den ihnen zugewiesenen Stellen entfernen oder dorthin befördern. Auf diese Weise beheben sie Störungen und Schäden. Im Unterschied zu Pink Goo ist mit diesen Mechanismen kaum ein Risiko verbunden. Unsere Konstrukteure haben nicht all unsere untergeordneten Bausätze mit der Fähigkeit ausgestattet, sich wahllos und unkontrolliert wie die Karnickel zu vermehren. Deshalb leiden wir nicht unter den Über- und Fehlfunktionen, die bei polynukleotiden Replikatoren immer wieder auftreten. Bei mir können weder Mutationen noch bösartige
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