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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers
Autoren: Katja Klink
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gegen die Katharer, der letztlich die Zerstörung der okzitanischen Kultur zur Folge hatte. Von diesem Zeitpunkt an spielte auch die Provence nur noch eine untergeordnete Rolle in Europa und fiel 1481 durch Heirat endgültig an Frankreich. Im 16. Jahrhundert dann ergriff der allgemeine Patriotismus-und Freiheitsgedanke auch die Provence. Es entstanden Bewegungen, die die Loslösung der Provence von Frankreich forderten und zum Teil auch gewaltsam durchzusetzen versuchten. Vor allem im Rahmen der Religionskriege kam es zu antifranzösischen Aufständen. 1093
    Die provenzalische Sprache war seit dem Niedergang des alten Südens als Schriftsprache praktisch ausgestorben. In der Literatur wie in offiziellen Texten wurde zunächst Latein, später Französisch verwendet. Es gab zwar im 16. Jahrhundert Versuche, die provenzalische Literatur wiederzubeleben, denen aber nur ein geringer Erfolg beschieden war. Dennoch wurde das Provenzalische weiterhin gesprochen, und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten. Allerdings galt Provenzalisch als hinterwäldlerisch, Französisch war
    «in», und es gibt Hinweise, dass die etwas gebildeteren Schichten der Provence sich in Gegenwart von Franzosen größte Mühe gaben, Französisch zu sprechen. Die gängige Sprache in der Provence blieb aber das Provenzalische. Erst die extrem zentralistische Politik in der Folge der Französischen Revolution im 18. Jahrhundert führte zu einer zunehmenden Verdrängung des Provenzalischen auch aus dem mündlichen Gebrauch.
    Auch in rechtlicher Hinsicht gab es Unterschiede zwischen dem okzitanischen Raum und dem französischen Norden: Während im Norden wie in vielen anderen Gebieten Mittel-und Nordeuropas nach einem Gewohnheitsrecht Recht gesprochen wurde, war der Süden stark vom – schriftlich fixierten – römischen Recht beeinflusst. Infolgedessen spielten schriftlich niedergelegte und notariell beglaubigte Verträge im okzitanischen Raum eine viel größere Rolle als im übrigen Frankreich. Dieser Umstand hatte auch Auswirkungen auf das Erbrecht: während in weiten Teilen Frankreichs eine geregelte Erbfolge vorherrschte, von der nur in Ausnahmefällen abgewichen wurde, konnte ein Vater in der Provence seinen Besitz im Prinzip jedem seiner Kinder testamentarisch vermachen, ein Umstand, der in vielen Fällen zu Rivalitäten zwischen den Nachkommen führte.
    Bezüglich der Religion war der okzitanische Raum schon immer sehr empfänglich für neue Strömungen, wie bereits an der Bewegung der Katharer zu sehen war. Zum Ende des 12. Jahrhunderts entstand in Südfrankreich eine weitere religiöse Bewegung, die sich in ihren Grundsätzen und Gebräuchen von der katholischen Kirche absetzte: die Waldenser. Benannt nach ihrem Gründer, dem Kaufmann Petrus Valdès aus Lyon, predigten die Waldenser Armut und Bescheidenheit und wandten sich gegen die Prunksucht 1094
    der katholischen Kirche, wenn sie sich auch zunächst noch als einen Teil derselben verstanden. Bereits 1184 wurden sie daraufhin von Papst Lucius III. exkommuniziert. Seitdem kam es immer wieder zu Verfolgungen der Waldenser. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts führte die Reformation in Deutschland und der Schweiz dazu, dass Menschen mit abweichenden religiösen Einstellungen von der katholischen Kirche und den weltlichen Mächten zunehmend als Gefahr gesehen wurden, was ein Erstarken der Inquisition und eine Zunahme der religiösen Verfolgungen nach sich zog. Auch der französische König François I., der der Reformationsbewegung zunächst relativ neutral gegenübergestanden war, verfolgte zunehmend einen härteren Kurs gegen religiöse Abweichler, vor allem seit der «affaire des placards»
    1534, bei der es Anhängern der protestantischen Lehre gelungen war, eine anti-katholische Hetzschrift ausgerechnet an die Tür der königlichen Gemächer zu hängen! Dieses Ereignis hatte eine verstärkte Verfolgung der Protestanten zur Folge, und auch andere Bewegungen, die dem traditionellen Glauben ablehnend gegenüberstanden, gerieten zunehmend ins Visier der Inquisition. So kam es in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts immer häufiger zu Verhaftungen und Verurteilungen von Anhängern der waldensischen Lehre.
    Am Abend des 12. April 1545, einen Sonntag nach Ostern, wurde das Parlament von Aix-en-Provence zu einer Sondersitzung einberufen, an deren Ende der Parlamentspräsident Jean Maynier d’Oppède ermächtigt wurde, den so genannten Arrêt de Mérindol in die Tat umzusetzen, einen
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