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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers
Autoren: Katja Klink
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deutscher katholischer Kaufmann, wie er behauptet Piqueu, Louis, Druckereimeister
    Piqueu, Mouche, sein Bruder, bereits verstorben
    Servius, ein Augustiner-Mönch
    Soufio, Zwillingsschwester von Joan lou Pastre
    Trostett, Heinrich, deutscher katholischer Kaufmann, wie er behauptete (vor seiner Ermordung)
    Vascarvié, Docteur, Rechtsgelehrter und Sonderbeauftragter des Parlaments
    Veive, Lucien, Sohn des Schultheiß von La Costo, bereits verstorben
    8

PROLOG
    Aquelho mountanho que tan auto soun
    m’empachon de veire mis amours ount soun.
    Auto soun, ben auto, mai s’abaissaran,
    et mis amouretto vers ieu reviendran.
    Se sabiai las veire, ount las rescontrar
    passariai l’aigueto sens paur de me negar.
    Que cante y recante, canto pas per ieu,
    canto per ma migo qu’es proche de ieu.
    Jene Berge, die so hoch sind, hindern mich daran, meine Lieben zu sehen.
    Sie sind hoch, wahrhaft hoch, aber sie werden sich senken, und meine Lieben werden zu mir zurückkehren.
    Wenn ich wüsste, wie ich sie sehen, wo ich ihnen begegnen kann, würde ich das Wasser überqueren ohne Angst zu ertrinken. Was immer man singt, ich singe nicht für mich,
    ich singe für meine Geliebte, die mir nahe ist.
    unbekannter Verfasser, vielfach Graf Gaston de Foix («Phébus») zugeschrieben (1331-1391), provenzalischer Schriftsteller und Politiker 9
    Aus den Erinnerungen des Fabiou Kermanach de Bèufort, Advokat zu Arles, datiert auf Juli 1594
    Mutter starb im Jahre des Herrn 1573, mitten in den Wirren der Bürgerkriege, die unser Land in jener Zeit zerrissen. Anders als ihr Leben war ihr Tod still und nahezu unbemerkt, ein allmähliches Verdämmern hinter der Fensterscheibe ihres Schlafgemachs, begleitet nur von den Tränen und den Gebeten meines Stiefvaters, der neben ihr saß und zusah, wie sie sich binnen weniger Wochen von einer stattlichen Erscheinung, die ihr noch immer die anerkennenden Blicke der Kavaliere eintrug, in ein Gespenst mit gelber Pergamenthaut verwandelte.
    Ich hatte von Mutter einen anderen Tod erwartet, irgendetwas Dramatisches, das die Klatschmäuler der anliegenden Domänen noch lange beschäftigen würde, passend zu einem Menschen, der so viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt hatte wie sie. Ein Sturz vom Pferd, ein Zusammenbruch knieend in der Messe oder auf einer Festgesellschaft umringt von jungen Herren, die ihrer jüngsten Tochter den Hof machen. Doch der Tod fragt uns nicht, wie wir diese Welt verlassen wollen, er kommt zu seiner Zeit und nach seinen Plänen, und der Mensch muss sich fügen. Im Sommer 1572
    begann es, dass meine Mutter wieder aus dem Leib blutete, und sie konsultierte einen Arzt, den sie hinter vorgehaltener Hand fragte, bedeutet dies, dass ich noch imstande bin, zu empfangen? Doch der Arzt meinte, es handele sich wohl nur um ein Ungleichgewicht der Körpersäfte und verordnete ihr einen Sud, der dem Körper helfe, die unreinen Säfte auszuleiten. Meine Mutter nahm den Sud ein, und das Bluten fuhr fort. Ihr Gesicht wurde bleich, was sie nicht störte, da es der Mode entsprach, und auch die Schwäche, die sie oft überfiel, war einer Frau ihres Alters und ihres Standes angemessen. So lebte sie gut und glücklich, gab ihre Festgesellschaften wie eh und je, brachte ihre Tochter unter die Haube und liebte ihren Mann, bis sie im Frühling des Jahres 1573 binnen kürzester Zeit verfiel, sich zu einem spindeldürren Skelett mit eingefallenen Zügen und tiefgelben Augen wandelte. Der Arzt ließ sie zur Ader, um das Übermaß an gelber Galle aus ihrem Körper auszuleiten, doch auch dies konnte das Ende nicht hinauszögern. Am Morgen des 10
    14. April, seit drei Tagen war sie ans Bett gefesselt, verlangte sie nach einem Priester, um ihren Frieden mit Gott zu machen und die Absolution ihrer Sünden zu erhalten. Noch heute bewegt mich die Frage, ob sie dem jungen Priester, der an jenem Morgen zu ihr kam, die übliche, überarbeitete Version ihrer Lebensgeschichte vortrug, ungeachtet der Tatsache, dass sie bald einem gegenübertreten würde, vor dem es keine Beschönigungen und keine Ausflüchte gab, oder ob sie ihm tatsächlich die ganze Wahrheit erzählte und den armen Jungen somit zum Mitwisser der ganzen Geschichte machte. Ich wünsche ihm, dass sie ihrer selbst treu blieb und sich für ersteres entschied. Ich weiß selbst am besten, was es bedeutet, mit der Wahrheit zu leben.
    Mutter starb in derselben Nacht, in Frederis Armen. Ich war in Arles, als mich die Nachricht von Mutters Krankheit erreichte. Unsere
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