Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
Autoren: P. B. Kerr
Vom Netzwerk:
verkauft hatte – und sagte sich, dass Macreeby überfällig war.
    »Der dicke faule Idiot müsste längst zurück sein.«
    Auch darin irrte Dybbuk. Um dorthin zu kommen, wo die Vampirpflanzen wuchsen, brauchte man eine Stunde und eine weitere Stunde, um zurückzukehren. Macreeby dagegen war noch keine neunzig Minuten unterwegs.
    Dybbuk lächelte ironisch. »Der Typ ist bestimmt im Eimer. Armer alter Macreeby. Obwohl, eigentlich sollte ich mich bedauern. Jetzt bin ich wohl ganz auf mich gestellt.«
    Dybbuk ging und setzte sich im Schneidersitz vor das gemeißelte Bildwerk, das er kurz zuvor als Zielscheibe benutzt hatte. Dort erwog er minutenlang die Möglichkeit, die Scheibe selbst zu holen, ehe er sich die verschiedenen Gründe aufzählte, warum ihm das keine gute Idee zu sein schien:
    »Erstens wäre da die offensichtliche Gefahr«, sagte er. »Wenn Macreeby tot ist, kann ich auch ums Leben kommen. Mit diesen Pflanzen ist nicht zu spaßen. Ihre Pfeile sind tödlich. Zweitens kommt hinzu, dass, falls Macreeby nicht tot, sondern nur verletzt sein sollte, ich ihm helfen müsste. Was sehr schwierig wäre, weil er zu fett ist, um getragen zu werden, und ich mit den medizinischen Sachen in seinem Rucksack nichts anzufangen weiß. Das sind zwei ziemlich gute Gründe.«
    Wolken zogen über das hohe Plateau, auf dem Paititi lag, und warfen seltsame Schatten, die über das uralte Gelände wanderten. Ein Kondor zog direkt vor der Sonne am Himmel seine Kreise. Allerdings hielt Dybbuk ihn für einen Aasgeier, der möglicherweise darauf wartete, sich über seinen Leichnam herzumachen. Er schauderte.
    »Drittens ist es hier irgendwie kalt und unheimlich und es gefällt mir nicht, hier oben ganz allein zu sein. Also, je schneller ich das Ritual beenden kann und hier wegkomme, desto besser. Ich glaube, die Stille macht mir langsam zu schaffen. Um nichts in der Welt will ich hier die Nacht verbringen müssen.« Er schleuderte einen weiteren Stein auf das Bildwerk. »Ich weiß nicht, wie du das aushältst, Kumpel. Viertens ist da die Tatsache, dass Macreeby ein ziemlich pingeliger Typ war, der immer alles genau nach Vorschrift machen musste, auch wenn sich die Dinge meistens etwas vereinfachen lassen. Meiner Erfahrung nach auf jeden Fall. Ehrlich gesagt ging mir das ein bisschen auf die Nerven, und nur, weil er fand, dass wir nicht ohne die dritte goldene Scheibe auskommen können, muss das nicht heißen, dass es wirklich so ist. Wenn dieses Ritual nur halb so mächtig ist, wie es angeblich sein soll, dann glaube ich nicht, dass eine blöde kleine Scheibe so einen großen Unterschied machen wird.«
    Wieder wanderte ein Schatten über den Boden, doch diesmal schien er menschliche Form zu haben. Dybbuk nahm an, dass Macreeby mit der Scheibe zurückgekommen sein musste, was die unterschiedlichsten Gefühle in ihm auslöste. Er war froh, dass Macreeby zurückgekehrt war, weil er sich einsam fühlte;aber gleichzeitig freute er sich auch schon darauf, ihn wieder loszuwerden.
    »Sie haben sich wirklich Zeit gelassen«, sagte Dybbuk. »Haben Sie die Scheibe gefunden?«
    Als er den Kopf hob, starrte er auf eine Gestalt, die sich gegen das helle Sonnenlicht abzeichnete. Eine Gestalt, die ihm nicht antwortete. Eine Gestalt, die einen Federmantel zu tragen schien.
    Dybbuk sprang auf. Es war gar nicht Macreeby, sondern jemand anderes. Jemand oder etwas Unaussprechliches. Ein Inka, welcher der kleinen, in Stein gemeißelten Gestalt nicht unähnlich sah. Auch sein Gesicht war zerstört, aber nicht von den Steinen und der Schleuder eines gedankenlosen Jungen, sondern vom größten Vandalen überhaupt – der Zeit. Die pavianartige Fratze war die eines fast gänzlich mumifizierten Mannes – teils Schädel, teils Fleisch, in Jahrhunderten erstarrt, mit irgendwelchem Zeug, das ihm seine längst verstorbenen Einbalsamierer in die Nasenlöcher und Segelohren gestopft hatten, damit nicht herauslief, was verwest oder flüssig war. Einige letzte Zähne saßen noch im Oberkiefer des erstarrten Mundes. Doch in den großen eingefallenen Augenhöhlen, hinter halb geschlossenen Lidern, regte sich immer noch eine finstere Form von Leben, wie Goldfische in zwei Gläsern mit äußerst trübem Wasser.
    Dybbuk wich unwillkürlich vor der Gestalt zurück, von der er halb wusste, halb ahnte, dass es Manco Cápac sein musste. Der gleiche Manco Cápac, dessen mumifizierter Körper ein ganzes Jahrhundert lang als Geschenk des Entdeckers und Grabschänders Hiram Bingham
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher