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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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Siggi sah ängstlich aus, aber auch er machte den Eindruck, als wollte er gleich zuschlagen. Hier passierte etwas, das so nicht geschehen durfte.
    Sie musste etwas hin, bevor die beiden sich in die Haare kriegten. Die Jungen waren nur noch zwei Schritte getrennt. Es würde zum Kampf kommen – und irgendwie schien es Gunhild, dass ihn beide nicht wollten, dass sie von einer fremden Macht in diese Auseinandersetzung getrieben wurden -, wenn sie sich nicht gleich etwas einfallen ließ.
    »Kommt!«, rief Gunhild aus und packte die beiden an den Händen. Die Fäuste öffneten sich und griffen zu. Fast schien es, als seien Hagen und Siggi aus einem Traum erwacht. »Es heißt, wenn man dreimal um den Brunnen herum tanzt, kann man sich was wünschen.«
    Der Bann, der beide Jungen eben fast in eine Keilerei getrieben hatte, schien gebrochen. Beide lachten, als Gunhild mit ihnen unter lautem Gesang um den Brunnen sprang.
    »Wer einmal um den Brunnen geht, der darf sich etwas wünschen!«, sangen sie laut. Gunhilds langer Zopf wippte im Takt. Ihre Hände hielten die Jungen fest, die ausgelassen mittanzten, als wäre nichts passiert.
    »Wer sich was wünschen will, muss noch mal um den Brunnen hin!«, sangen sie während der zweiten Runde. Dabei wurde ihr Gelächter immer ausgelassener, und alles war wieder so wie oben auf dem Berg, als sie mit einem Affenzahn und wild kreischend durch die Hohlwege geradelt waren, Gunhild vorneweg, Hagen dicht auf und Siggi, der immer ein bisschen ängstlicher war, mit gebührendem Abstand.
    Die dritte Runde begann, und Gunhild gab den dritten Vers des alten Aberglaubens vor, und die Jungen fielen begeistert ein. »Wenn dir soll ein Wunsch geschehn, musst dreimal um den Brunnen gehn!«
    Ausgelassen tanzten die drei Hand in Hand den Reigen. Noch vier, drei, zwei Schritte, dann war ihr Tanz zu Ende, und dem Aberglauben gemäß wurde ihnen ein Wunsch erfüllt.
    Plötzlich, kaum dass sie die letzte Runde beendet hatten, gab es einen Donnerschlag, der den Himmel zerriss und die Erde erschütterte. Der Hall war betäubend. Die drei Kinder warfen sich am Brunnen in Deckung, und alle zitterten am ganzen Körper. Die beiden Jungen und das Mädchen hielten sich eng umschlungen und drückten sich aneinander. Jeder suchte sich selbst und zugleich die anderen zu schützen. Sie hatten sich fürchterlich erschreckt, wagten kaum zu atmen.
    Doch kein Regen prasselte auf sie nieder, kein Blitz folgte, und als Gunhild den Kopf hob, konnte sie den Himmel über der Lichtung sehen. Er war blau. Kaum ein Wölkchen trübte die Sicht.
    »Was … was war das?«, fragte Siggi zögernd.
    »Vielleicht hat ein Flugzeug die Schallmauer durchbrochen …«, versuchte Hagen eine Erklärung.
    »Vielleicht …«, entgegnete Gunhild zögernd. »Aber das müsste so nahe dran gewesen sein, dass wir es noch hören müssten.«
    Die drei Kinder kauerten immer noch im Schatten des Brunnen und wagten es nicht, sich zu bewegen.
    »Ob es etwas mit unserem Tanz zu tun hat. Ein Geist vielleicht -«, wagte Siggi zu sagen, wurde aber von seiner Schwester unterbrochen.
    »Es gibt keine Geister und Gespenster, das solltest du wissen!« Doch Gunhilds Stimme klang alles andere als fest und überzeugt.
    »Ich glaube, wir sollten lieber nach Hause gehn«, meinte Siggi. »Da können wir dann auch Vati fragen, was das für ein Donner war. Der weiß das bestimmt! Ansonsten wird er bestimmt sauer sein, wenn wir zu spät kommen.«
    »Ich will noch einen letzten Blick in den Brunnen werfen, bevor wir gehen«, ließ Hagen sich vernehmen.
    »Aber da war doch nichts«, wollte Siggi ihn von seinem Vorhaben abbringen, aber Hagen löste sich aus der Umarmung der Geschwister und stand auf.
    »Ich will nur noch mal hineinsehen.«
    Er blinzelte über den Brunnenrand und versuchte mit seinem Blick den Grund zu erreichen. Aber die Sonne war jetzt ein Stück weitergezogen, und Schatten hüllte den unteren Teil des Brunnenschachtes ein. Hagen bückte sich, nahm einen Kiesel auf und ließ ihn hineinfallen.
    Er musste nicht lange warten, dann hörte er das Platschen von Wasser.
    »Sehr tief ist er nicht«, sagte Hagen in nachdenklichen Ton. »Ich hatte eigentlich erwartet, dass das Wasser weiter unten ist.«
    »Hast du jetzt genug gesehen?«, fragte Gunhild. »Es wird Zeit, dass wir aufbrechen.«
    »Einen Moment noch«, entgegnete Hagen.
    Halb über dem Felssims hängend, spähte er in die liefe. Er konnte nun den Wasserspiegel erkennen. Doch knapp oberhalb des
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