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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter
Autoren: Peter Hoeg
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indem man dachte: »Kann denn das wahr sein, meint sie mich, ist nicht ein anderer Peter gemeint? Und wieso ausgerechnet ich? Und wenn sie wirklich mich meint, bin ich überhaupt gut genug für sie? Und wie lange wird es dann dauern? Und selbst wenn es lange währt, was man ja glaubt und hofft, muss es doch irgendwann enden, oder etwa nicht?«
    »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.«
    Dieser Schluss hat mich nie befriedigt.
    Vater las uns zur guten Nacht vor, Tilte, mir und Basker. Wenn die Geschichte mit dem Satz endete: »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage«, empfand ich immer eine unerklärliche innere Unruhe.
    Es war Tilte, die die richtigen Worte fand. Eines Tages, sie war höchstens sieben, ich fünf, sagte sie: »Was heißt das: ›das Ende ihrer Tage‹?«
    »Wenn sie sterben«, sagte Vater.
    Dann sagte Tilte:
    »Bekamen sie einen würdigen Tod?«
    Vater wurde ganz still. Dann sagte er:
    »Darüber steht hier nichts.«
    Dann sagte Tilte:
    »Und danach?«
    Ich weiß, wo Tilte die Sache mit dem würdigen Tod herhat. Von Bermuda Svartbag Jansson, die sowohl Hebamme als auch Leichenbestatterin ist, so ist das halt auf einer kleinen Insel, viele haben zwei oder drei Jobs auf einmal, Mutter ja auch, die Organistin und Kirchendienerin ist und zugleich Beraterin auf der Maschinenstation.
    Tilte hatte sich oft mit Bermuda unterhalten und ihrauch geholfen, Leichname in Särge zu legen. Den Ausdruck hatte sie von ihr.
    Aber das erklärt trotzdem nicht alles. Denn das muss man sich mal vorstellen: Eben hat man einem siebenjährigen Mädchen ein Märchen mit dem letzten Satz vorgelesen »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage«, der ja den Sinn hat, dass es mit einem Happy End aufhört und die Kinder zur Schlafenszeit gut gelaunt sind und an die Familie denken und sicher sind, dass Vater und Mutter und sie selber und der Hund auch glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben, das noch so weit weg ist, dass man ebenso gut »in alle Ewigkeit« sagen könnte. Und dann kommt da so ein Mädel von sieben Jahren und fragt, ob sie auch einen würdigen Tod bekommen hätten.
    Als Tilte es sagte, verstand ich, warum mich solche Schlüsse nie richtig beruhigt hatten. Ich hätte nie wie Tilte denken können, ich hätte es nie gewagt. Aber ich hatte es gleichsam gespürt. Dass sie vielleicht glücklich leben. Aber was, wenn sie an den Schluss kommen, ans Ende ihrer Tage?
    Da ist es dann vielleicht doch nicht mehr so lustig.
     
    Jetzt erzähle ich dir, was wir erlebten. In Wirklichkeit tue ich es nicht, um von uns zu erzählen. Sondern um mich selbst daran zu erinnern, wann die Tür offen stand, und es dir zu zeigen.
    Ich kann dir nicht durch die Tür helfen, weil ich selber nicht richtig durch sie hinausgegangen bin. Aber wenn wir sie finden und davorstehen, oft genug, du und ich, dann weiß ich, dass wir eines Tages gemeinsam in die Freiheit hinausgehen werden.
     
    Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.
    Das hatten Tilte und ich in einem Buch in der Bücherei gelesen, ich konnte den Satz immer gut leiden. Aber man sollte nicht über ihn nachdenken. Wer denkt, verrennt sich. Dann wird man sagen, das ergibt keinen Sinn, die Kindheit ist doch vorbei, und was vorbei ist, das ist, wie es ist, und es ist zu spät, es zu ändern.
    Stattdessen muss man die Worte einfach in sich wirken lassen: Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.
    Ich glaube, das stimmt. Aber manchmal hat man ein Problem.
    Aber Tilte sagt, es gibt keine Probleme, nur interessante Herausforderungen.
    Ich würde also sagen, dass eine dieser interessanten Herausforderungen mit diesem »Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit« an einem Karfreitag anfing, auf dem Blågårds Plads, in Kopenhagen.

 
    Wir halten auf dem Blågårds Plads in Kopenhagen, wir, das sind Basker, Tilte, ich und unser großer Bruder Hans, und wir halten in einer schwarz lackierten Kutsche mit vier Pferden. Das haben wir Hans zu verdanken. Falls wir der Meinung sein sollten, jemandem danken zu müssen.
    Große Teile der dänischen Bevölkerung, zumindest die Touristen auf Finø, sind der Meinung, mein Bruder Hans gleiche einem dänischen Märchenprinzen. Ihre Meinung gründet auf der Tatsache, dass er eins fünfundneunzig groß ist, blonde Locken und blaue Augen hat und stark genug ist, ein Pferd vom Vierspänner abzuschirren, es auf den Tisch zu legen, auf den Rücken zu drehen und ihm den Bauch zu kitzeln.
    Weil wir Hans aber
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