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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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wusste doch jeder, der nicht mit Blindheit geschlagen war! Wozu
also das Getue?
    Je länger Agilulf nachdachte, umso wütender wurde er.
Und als sich unweit des Maintores der erste Blitz in die Erde bohrte, war er
mit der Geduld am Ende. Wenn er jetzt nicht Fersengeld gab, würde es ziemlich
ungemütlich werden. Reliquien hin oder her!
    »Mit Eurer Erlaubnis, Herr!«, machte er aus seiner
Ungeduld keinen Hehl, raffte seine Siebensachen zusammen und verstaute sie in
der Truhe, die direkt neben dem Schragentisch stand. Für den Fall, dass er es
nicht mehr bis nach Hause schaffte, konnte er ja im Dom Zuflucht suchen.
    Als Letztes klappte er den Schragentisch zusammen, und
als er damit fertig war, hatte er den Fremden schon fast vergessen. Gerade
wollte er die Truhe auf seinen Handkarren hieven, als er erneut seine Stimme
vernahm. Nicht viel hätte gefehlt, und die Truhe wäre ihm aus der Hand
gerutscht, so sehr fuhr ihm der Schreck in die Glieder: »Nicht gar so
geschwind, Agilulf – du hast etwas vergessen!«, tönte die Stimme, und ein
eisiger Schauer lief ihm über den Rücken.
    »Was denn? Und überhaupt – woher kennt Ihr meinen
Namen?«
    »Nicht so wichtig!«, wiegelte der Fremde ab, sorgsam
darauf bedacht, sein Gesicht zu verbergen. »Da – nimm!«
    Agilulf unterdrückte einen Fluch, stellte die Truhe ab
und griff nach dem Stofffetzen, den ihm der Fremde vor die Nase hielt.
    Und erschrak fast zu Tode.
    Die Hand, die sich ihm entgegenreckte, war schneeweiß.
Und kalt wie Marmor. Die Klaue eines Toten mit einem Ring aus Gold.
    Der Reliquienhändler rang um Fassung, griff aber
nichtsdestoweniger zu. Eines seiner kostbarsten Stücke zu verlieren, konnte er
sich einfach nicht leisten. »Habt Dank!«, murmelte er mit schwerer Zunge, wobei
er den Blick des Fremden wohlweislich mied. Dann drehte er sich auf dem Absatz
um und machte sich auf den Nachhauseweg.
    Weit kam er allerdings nicht. Er
hatte noch keine zehn Schritte zurückgelegt, als Agilulf hinter sich eine
einschmeichelnde Stimme sagen hörte: »Lust auf ein gutes Geschäft?! Sozusagen
auf das Geschäft deines Lebens?«
    Drauf und dran, dem Fremden eine Abfuhr zu erteilen,
überlegte es sich der Reliquienhändler im letzten Moment anders. Zugegeben, der
Unbekannte wirkte alles andere als vertrauenerweckend auf ihn. Und eigentlich
hatte er ja auch eine Heidenangst. Aber da war plötzlich dieser Impuls in
seinem Inneren, eine Art unkontrollierbarer Reflex, der ihn jegliche Vorsicht
vergessen und sich dem Fremden auf Gedeih und Verderb ausliefern ließ. »Lasst
hören!«, hörte sich der Reliquienhändler zu seinem Erstaunen sagen und hatte
dabei das Gefühl, als dringe die eigene Stimme aus weiter Entfernung an sein
Ohr. Nicht mehr Herr seiner selbst, stand Agilulf einfach nur da und ließ den
Blick zwischen den Fußspitzen hin und her pendeln. Dass unweit von ihm der
Blitz einschlug, nahm er nur am Rande wahr.
    »Kennst du die Schenke ›Zum roten Hahn‹?«, raunte der
Fremde und sah sich verstohlen um.
    »Und ob! Wer kennt sie nicht!«, gab sich Agilulf
locker und entspannt, ungeachtet des Fröstelns, das ihn in diesem Moment
überkam.
    »Umso besser! Dann werden wir uns dort in genau einer
Stunde treffen. Pünktlich! Ich warte nämlich nicht gern!«
    Agilulf öffnete den Mund, um zu protestieren, aber im
gleichen Moment brach ein Gewitter los, wie es die Stadt nur selten erlebt
hatte. Der Reliquienhändler ließ alles stehen und liegen und flüchtete in die
nächstbeste Toreinfahrt. Gerade noch rechtzeitig, bevor Myriaden scharfkantiger
Hagelkörner wie Geschosse vom Himmel prasselten.
    Das Unwetter indes hielt nicht lange an. Kaum eine
Viertelstunde verstrich, und alles war vorüber. Agilulf streckte den Kopf unter
der Toreinfahrt hervor und warf einen Blick in die Runde. Auf der Domstraße, wo
sich Hagelkörner, Abfälle und Pferdemist zu einem übelriechenden Gemisch
vermengten, war kein Mensch zu sehen.
    Aber das machte nichts. Hauptsache, er war noch einmal
davongekommen.
    Wieder ganz der Alte, konnte der Reliquienhändler
seine Neugierde kaum noch im Zaum halten. Ein Geschäft – gut und schön! Aber
was für eines? Und überhaupt: Wer war der Kerl eigentlich?
    Während Agilulf seine Habseligkeiten zusammensuchte,
beschlich ihn ein eigenartiges Gefühl, und als sei ihm der Unbekannte immer
noch auf den Fersen, sah er sich auf dem Nachhauseweg ein Dutzend Mal um.
    Doch sooft er dies auch tat, der Fremde mit dem
Kapuzenmantel war und blieb
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