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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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Denn wie üblich hielt der Markttag auch weniger
angenehme Gerüche bereit. Je länger er hinter seinem Schragentisch ausharrte,
umso durchdringender der Gestank nach Abfällen, verdorbenem Fisch und ranzigem
Fett. Eine Mixtur, bei der sich ihm der Magen umdrehte.
    Für heute jedenfalls hatte Agilulf genug. Mit 50 nicht
mehr der Jüngste, setzte ihm die Hitze ordentlich zu. Schlimmer noch, die
Geschäfte gingen ausgesprochen schlecht. Wahrscheinlich war dies einfach nicht
sein Tag. Kein Wunder, dass Agilulf ausgiebiger als üblich dem Honigwein
zusprach, den ihm Jan der Goldschmied in einem Anfall von Nächstenliebe
kredenzte.
    Dies war der Moment, als er den Fremden im schwarzen
Umhang und der tief liegenden Kapuze zum ersten Mal sah. Es war kurz vor der
Vesper, und am Himmel zogen dunkle Wolken auf. Jeder machte, dass er nach Hause
kam, und als sogar das kleine Häuflein Bettler, Aussätzige und Vaganten die
Stufen vor dem Domportal fluchtartig verließ, räumte Agilulf das Feld.
    Es war so wie immer. Wäre der Fremde im dunklen Umhang
nicht gewesen.
    Agilulf war dabei, seine Siebensachen zu packen, als
er plötzlich auftauchte. Mag sein, es lag am Donnergrollen, das die stickige
Luft ringsumher vibrieren ließ. Aber Agilulf hatte ihn nicht kommen hören. Der
Fremde, mehr als einen Fuß größer, noch dazu erheblich schlanker als er, ja
geradezu hager, stand einfach neben ihm. Gerade so, als sei er dem Erdboden
entstiegen. Vor Schreck wäre ihm die hölzerne Schatulle mit den kostbarsten Stücken
aus seinem Sortiment fast aus den Händen gefallen.
    Agilulf sah nicht auf, so sehr war ihm die Furcht in
die Glieder gefahren. Der Fremde indes schien sich nicht daran zu stören. Mehr
noch, er beachtete ihn zunächst kaum. Fast schien es, als sei Agilulf Luft für
ihn. Doch dann, als sich der Reliquienhändler vom ersten Schreck erholt hatte,
ergriff er plötzlich das Wort.
    Solange sich Agilulf entsinnen konnte, hatte er noch
nie eine derartige Stimme gehört. Fast ein Ding der Unmöglichkeit, die von ihr ausgehende
Bedrohung in Worte zu kleiden: »Nicht gerade ideal für ein gutes Geschäft,
nicht wahr?«, sinnierte der Fremde in einschmeichelndem, geradezu femininem
Ton, und für einen Augenblick spielte Agilulf mit dem Gedanken, seine
Siebensachen zu packen und ihn einfach stehen zu lassen. Der Gedanke, der ihm
als Nächstes durch den Kopf schoss, war derart alarmierend, dass er diesem
Impuls auch um ein Haar nachgegeben hätte: ›So und nicht anders hört sich der
Teufel an!‹, dachte der Reliquienhändler, bestürzt, dass er im gleichen Moment
wie Espenlaub zu zittern und ihm der Schweiß aus sämtlichen Poren zu schießen
begann.
    »Wollen sehen, was es hier so alles zu bestaunen
gibt!«, murmelte der Fremde, nahm Agilulf die Schatulle aus der Hand und
öffnete sie. Der Reliquienhändler war wie vom Donner gerührt, schritt jedoch
nicht ein. Kein Wort, geschweige denn Widerspruch, kam ihm über die Lippen.
Kein Tadel, kein Einwand – nichts. Agilulf kannte sich selbst nicht mehr. Er
stand einfach nur da und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
    »Und wo hast du das alles her?«, fragte der Fremde in
beiläufigem Ton. Agilulf fuhr zusammen und brachte kein einziges Wort hervor.
Wozu überhaupt die Frage, was in aller Welt hatte der Kerl vor? »Ein besonders
schönes Stück, in der Tat!«, wich er ihr so gut es ging aus, als er den
Tuchfetzen in der Hand des Fremden bemerkte. »Stammt vom Tischtuch beim letzten
Abendmahl des Herrn! Von geradezu unschätzbarem Wert! Oder hier – ein Streifen
von seinem Grabtuch! Ebenfalls nicht mit Geld zu bezahlen! Wenn Ihr genau
hinseht, Herr, könnt Ihr sogar noch Spuren seiner Wundmale …«
    »Wenn mich nicht alles täuscht, hatte ich dich danach
gefragt, von wem du diese Reliquien hast, und nicht danach, woher sie stammen! Was ihre Echtheit betrifft, sind sie doch wohl über jeden Zweifel
erhaben, oder?!«
    Agilulf schluckte und sah sich Hilfe suchend um. Der
Platz vor dem Dom war wie leer gefegt, weit und breit kein Mensch zu sehen.
Donnergrollen erfüllte die Luft, und die Sonne war hinter einem pechschwarzen Wolkengebirge
verschwunden. »Gewiss doch, Herr – wo denkt Ihr hin! Und zwar jedes einzelne
Stück! So wahr ich Agilulf der Reliquienhändler bin!«
    Der Fremde gab keine Antwort, sondern blickte
nachdenklich vor sich hin. Agilulf trat von einem Bein aufs andere, wusste
weder ein noch aus. Worauf wollte der Fremde hinaus? Dass seine Reliquien nicht
echt waren,
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