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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester
Autoren: Andrea Schacht
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windumtoste Küstenlandschaft auf, die nur von wenigen altertümlichen Steinhäusern besiedelt war. Mich schauderte. Ich bin keine Naturliebhaberin. Aber dann sagte ich mir, dass Frankreich schließlich zu den zivilisierten Gegenden Europas gehörte, und ich sagte: »Natürlich, Herr Dr. Koenig. Solange die Firma ein Rückflugticket bereitstellt …«
    Dr. Koenig lächelte zum ersten Mal in diesem Gespräch.
    »Oh, andere Menschen bezahlen beträchtliche Summen, um dort Urlaub zu machen. Es ist wirklich eine reizvolle Gegend, habe ich mir sagen lassen. Aber das ist vermutlich Geschmackssache.«
    Wir verabschiedeten uns, und als ich ein paar Tage später den Bescheid bekam, dass der Vertrag auf dem Weg zu mir war, hatte ich das erste Mal wieder das Gefühl, nicht mehr so weit neben mir zu stehen.
    Ohne große Schmerzen löste ich mein bestehendes Arbeitsverhältnis auf, verabschiedete mich von Kollegen und Bekannten und machte mich auf die Suche nach einer Unterkunft für die ersten Monate, bis sich herausstellen würde, ob ich die Probezeit überstehen würde.

    Endlich durften wir wieder eine Pause machen und den Seminarraum verlassen.
    »Im Prinzip finde ich diese Planungstechnik faszinierend. Im Studium mussten wir die Dinger noch ohne Computer berechnen.«
    Ich ging wieder neben dem interessanten Kollegen her, der mich zielgerichtet in die Cafeteria lotste.
    »Ja, vor allem zwingt es die Beteiligten, gemeinsam das Vorgehen zu durchdenken.«
    »In der Tat, sauber durchdacht und methodisch aufbereitet, bietet die Planungstechnik doch eine hervorragende Vorschau auf kommende Ereignisse.«
    »Das ist mir für mein Projekt auch lieber so, Frau Farmunt. Ehrlich gesagt, Ihr Vorgänger war manchmal etwas sprunghaft in seinen Aussagen, was Termine anbelangte. Übrigens, geht es Ihnen nicht ein bisschen auf die Nerven, ständig Frau Farmunt genannt zu werden?«
    Oha!
    »Mein Vorname ist auch nicht das Gelbe vom Ei!«
    »Amalindis, nicht wahr?«
    »Menschen, die Wert auf mein Wohlwollen legen, nennen mich Lindis.«
    »Ich lege Wert darauf. Lindis? Ich bin Wulf, und wer es sich definitiv mit mir verscherzen will, nennt mich Wulfi.«
    »Das glaube ich gerne«, sagte ich und musste kichern, denn Wulf war alles andere als der Wulfi-Typ.

2. Faden, 2. Knoten
    Die Sonne schien warm vom Blau des Himmels, auf dem weiße Wolken im Wind dahinjagten. Der kleine Junge hatte wie so oft seine Gruppe verlassen und wanderte auf der Suche nach den süßen roten Früchten gedankenverloren auf den ausgetretenenPfaden, die bis zum Strand führten. Seine Hände und sein bloßer Oberkörper waren von Beerensaft verschmiert, der kurze Lederschurz um seine Hüften starrte vor Staub und lehmiger Erde, aber er war glücklich. Er hörte die Brandung an die felsige Küste schlagen, und das Lachen und Kreischen der weißen Möwen brachten ihn auf die Idee, nach ihren Nestern zu suchen, um die Eier herauszusammeln.
    Aber dann ließ er diese Idee fallen und beschloss, eine Weile an seinem Lieblingsplatz zu dösen. Er war nicht hungrig. Er und seine Leute waren überhaupt sehr selten hungrig, seit sie das Ende ihrer Wanderung erreicht hatten. Die Alte hatte sie auf Wegen, die nur ihr bekannt waren, hier an diese Küste geführt. Lange waren sie durch die Wildnis gezogen, und seine Mutter berichtete im Kreis um das Feuer oft darüber, wie sie ihn, ihren jüngsten Sohn, auf dieser Wanderung geboren hatte. Sie pries dann immer wieder die glückliche Lage der neuen Heimstatt. Es gab so viel Nahrung, dass keiner darben musste. Jeden Tag zweimal gab das Meer seine Schätze frei. Es zog sich weit bis zum Horizont zurück, und an den freigelegten Felsen konnte man zum Beispiel köstliche Muscheln sammeln. Es gab die weiße, herzförmige oder lange schwarze und natürlich die bizarren Austern. In den Wasserläufen, die den sandigen Boden durchzogen, wimmelte es von Krebsen und Krabben, Langusten und Hummern. Bei Flut schenkte ihnen das Meer Fische, und am Strand fand man die Eier der Seevögel und sogar essbare Algen. Wenn einem nicht nach den Früchten des Meeres war, dann konnte man die Früchte des Waldes sammeln, der sich weit in das Hinterland erstreckte. Erdbeeren und Wildkirschen, später Brombeeren, kleine Äpfel, Pilze und Eicheln. Manchmal brachten auch die Jäger ein Wildschwein oder eine Hirschkuh mit.
    Der Junge lag bäuchlings im kurzen, weichen Gras und lauschte dem Rauschen des Meeres. Im Augenblick war es wiederganz nahe, und die Felsen draußen,
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