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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester
Autoren: Andrea Schacht
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Meiner Mutter hingegen gefällt er noch immer so gut, dass sie es sich bis heute nicht nehmen lässt,mich immer in voller Länge damit anzusprechen. Was mein Verhältnis zu meiner Mutter ausreichend beschreibt.
    »Wie Sie wissen, meine Herren, entstand die Netzplan-Technik 1957 als Methode zur Planung von Projekten. Die ersten Einsatzgebiete waren die Entwicklung des Waffensystems POLARIS, der Bau von Kernkraftwerken und …«
    Das Blabla war mir nichts Neues. Mich interessierte die Umsetzung mit dem DV-Programm, das bei KoenigConsult eingesetzt werden sollte. Doch so bedeutungsvoll, wie der Herr Seminarleiter jetzt mit den Folien seines Vortrags raschelte, konnte ich getrost für die nächste Stunde in einen gepflegten Halbschlaf versinken.
    Tat ich natürlich nicht, aber ich widmete meine Aufmerksamkeit anderen Dingen. Zum Beispiel dem Nachbarn zu meiner Linken. Er war mir vor ein paar Tagen als der verantwortliche Projektleiter für das Vorhaben vorgestellt worden, in dem auch ich eine entscheidende Rolle spielen durfte. Sein Name war Wulf Daniels. Er mochte so Anfang, Mitte dreißig sein, überragte mich locker um Haupteslänge, trotz meiner hochhackigen Schuhe. Und ich bin nicht gerade klein zu nennen. Das Haupt, um das er mich überragte, war blondgelockt und gepflegt vollbärtig. Ich suchte in den diversen Schubladen, in die ich Männer bequemerweise einzusortieren pflegte, nach der mit einer passenden Aufschrift, fand aber im ersten Moment nur die Klassifizierung »interessant«.
    Um spezieller in der Beurteilung zu werden, beobachtete ich ihn unauffällig weiter. Mein Nachbar trug Hemd und einen weichen Pullover, der nach anschmiegsamem Kaschmir aussah. Für die Jahreszeit war er zu braun, die Härchen auf seinen Handgelenken schimmerten golden, die Hände waren sehnig und ließen den geübten Tennisspieler vermuten. Die Farbe stammte entweder von der Sonnenbank oder einem langen Winterurlaub. Er hatte sich auf seinem Stuhl lässig zurückgelehntund schien ähnlich gelangweilt wie ich. Dennoch, es blieb bei »interessant«, allerdings mit einem kleinen Plus dahinter.
    »Und, meine Herren, wir werden uns daher mit der Methode der Vorgangs-Knoten-Technik auseinandersetzen. Gegeben sei ein beliebiges Projekt mit einer definierten Anzahl von Ereignissen …«
    Jetzt wurde der Seminarleiter auch noch schulmeisterlich!
    Ich schloss die Betrachtung zu meiner Linken ab und widmete mich dem Herrn zu meiner Rechten. Auch er war mir bereits bekannt, denn er sollte als mein Mitarbeiter zukünftig die Planung mit betreuen? Im Gegensatz zu dem interessanten Wulf saß er aufmerksam und aufrecht in seinem graubraunen Tweedanzug neben mir. Auf seiner Strickkrawatte bemerkte ich einen Eigelb-Flecken. Die Schublade, in die Herbert Schweitzer passte, war leicht zu finden, sie war ebenso graubraun wie langweilig. Als Mann sozusagen uninteressant, als Mitarbeiter – nun, man würde sehen. Wahrscheinlich würden wir gewisse Anfangsschwierigkeiten überwinden müssen, denn Männer über fünfzig haben manchmal Probleme mit vorgesetzten Frauen unter dreißig. Gut, ganz, ganz knapp unter dreißig.
    »Jedem Vorgang, jeder Tätigkeit oder jedem festen Termin, wir nennen diese Meilensteine, ist in dieser Form der Planung ein sogenannter Knoten zugeordnet. Dieser Knoten hat …«
    Herbert Schweitzer schrieb eifrig mit, Wulf rutschte noch ein Stück tiefer in seinem Stuhl zusammen und sah unter halbgeschlossenen Augen zu mir hin. Ich musste ein Gähnen unterdrücken, und er zwinkerte mir zu, wobei sich kleine Lachfältchen um seine Augen bildeten. »Sehr interessant«, korrigierte ich und versuchte, das unwillkürliche Lächeln aus meinem Mundwinkel zu wischen.
    »Ich hoffe, wir kommen langsam mal zum praktischen Teil, der Typ ödet einen ja entsetzlich an«, flüsterte mein Nachbar mir zu.
    »Hoffentlich. Ich bin kurz davor, in einen komatösen Zustand zu versinken«, wisperte ich zurück.
    »Meine Herren, ich darf doch um Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit bitten.«
    »Mich kann der nicht gemeint haben«, rutschte mir heraus, und Wulf grinste.
    Ich fügte dem »sehr interessant« ein »weiter beachten« hinzu.
    »Um es Ihnen anschaulich zu machen, werde ich die Methode an einem simplen – äh – hausfraulichen Beispiel verdeutlichen, das auch Ihnen, meine Herren, nicht fremd sein dürfte. Wir stellen uns vor, eine solch hochkomplexe Tätigkeit wie das Abwaschen schmutzigen Geschirrs in seine schlichten Vorgänge zu zerlegen …«
    Ich
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