Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
Vom Netzwerk:
wollen, schreiben Sie doch einfach, daß es vom Exfreund der Schwester von Lias hoffentlich neuem Freund stammt.«
    Wenig später läutete mich wie verabredet der Portier an, um mir zu melden, daß mein Besuch im Anzug war. Ich stand schon draußen im Treppenhaus am Aufzug, als meine Freundin kam. Sie könne jetzt nicht gleich in die Wohnung, erklärte ich ihr, sie müsse erst eine kleine Dosis Proventil inhalieren. Ein wenig überrascht, aber bereit, den Versuch zu machen, nahm sie zwei Züge von Präparat Nummer 1. Danach präsentierte ich ihr Präparat Nummer 2. Sie begann eine Spur ungeduldig zu werden, beruhigte sich aber wieder, als ich ihr erklärte, dieses Mittel brauche sie nicht gleich zu nehmen, solle es aber bei sich behalten und nur davon nehmen, wenn sie das Gefühl habe, daß eine Attacke drohe.
    Jetzt erst öffnete ich die Tür zu meiner Wohnung und führte sie mit einem gewissen Zeremoniell hinein. Sie wollte kaum ihren Augen trauen, als sie die Veränderungen sah, die ich vorgenommen hatte. Ich nahm mir viel Zeit, um ihr all meine allergenfreien Möbel vorzuführen, und ließ sie, als wir vor dem HEPA standen, in tiefen Zügen die gereinigte Luft einatmen. Der Filter käme direkt aus dem Zentrum für Raumfahrt, schwindelte ich. Eine kleine Übertreibung, finde ich, darf man sich als Mann ruhig erlauben, wenn man eine Frau beeindrucken will.
    Selbst Eisbärs Erscheinen, der von seinem Bad noch ganz mitgenommen aussah, konnte meine Zuversicht nicht erschüttern. Und es erschütterte, wie ich erleichtert feststellte, auch die ihre nicht. Als ich jedoch sah, daß sie Anstalten machte, sich zu Eisbär hinunterzubeugen, um ihn zu streicheln, bestand ich darauf, daß sie vorher von Präparat Nummer 2 inhalierte. Danach ging ich in die Küche, um unseren ersten Gang hereinzuholen, und warf nicht einmal einen Blick zurück, um zu sehen, wie die beiden zurechtkamen. Ich war überzeugt, meine Wette schon gewonnen zu haben.
    Aber ich hatte meine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Plötzlich nämlich, als ich gerade die Schüsseln auf den Tisch stellte, hörte ich nur allzu deutlich erste bedrohliche Ansätze zu Niesen und Schniefen. Einen Moment lang wollte ich es nicht glauben. Der Tisch versperrte mir die Sicht, so daß ich weder meine Freundin noch Eisbär sehen konnte. Ich horchte nur wie vom Donner gerührt. Und da mischten sich in das Husten und Schniefen ein Stöhnen und ein hüstelndes »Ajau.«
    Ungläubig ging ich um den Tisch herum, und tatsächlich, nicht meine Bostoner Freundin gab diese erschreckenden Geräusche von sich, sondern Eisbär. Nicht etwa sie hatte sich von ihm zurückgezogen, sondern er sich von ihr. Sie war nicht mehr allergisch gegen ihn. Aber er, den ich so bearbeitet hatte, daß er praktisch zum wandelnden Antiallergetikum geworden war, und der diese reine HEPA-Luft atmete, reagierte nun allergisch auf sie.
    Ich starrte ihn an, während er verzweifelt nieste und schniefte, und konnte es nicht fassen. Und ihm schien es genauso zu gehen. Eines allerdings stand für ihn fest: Schuld daran konnte nur ich sein.
    Eine ganze Weile sahen wir einander nur an. Dann ging ich zu ihm, bückte mich genau wie drei Tage zuvor, hob ihn hoch und trug ihn ins Schlafzimmer.
    Als ich zurückkam, wußten wir beide, meine Freundin ebenso wie ich, daß die Würfel gefallen waren. Alle Chancen auf eine glückliche Beziehung hatten sich in allergenfreie Luft aufgelöst. Das Abendessen ließen wir dennoch nicht verkommen. Und während wir mit Genuß aßen, wagte ich es sogar, die Wette aufs Tapet zu bringen.
    Meiner Ansicht nach, erklärte ich, hätte ich sie gewonnen.
    Sie lächelte. »Sagen wir unentschieden«, meinte sie.
    »Unentschieden«, versetzte ich automatisch, »das ist, wie wenn man seine Schwester küßt.«
    Später, als sie gegangen war und Eisbär und ich miteinander im Bett lagen, stellte ich mit Erleichterung fest, daß er aufgehört hatte zu niesen und zu schniefen. Ich sprach lange mit ihm, und obwohl er im allgemeinen schnell abschaltet, schlief er diesmal nicht gleich ein, sondern gab sich ausnahmsweise Mühe, wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, wie besorgt ich war, auch wenn er es nicht verstand.
    Ich selbst fand lange keinen Schlaf. Unablässig gingen mir die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf. Ich sah plötzlich einen Mann vor mir, der von einem Arzt zum anderen lief und immer dieselbe Frage stellte: Was soll man tun, wenn man seine Katze liebt und nicht im entferntesten daran
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher