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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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Nacht oder ein Wochenende in meiner Behausung zubringen, nicht mehr ganz soviel Feindseligkeit entgegen wie früher, aber ich glaube, das kommt daher, daß er mittlerweile aus Erfahrung weiß, daß sie nicht bleiben. Niemals hätte ich ihm zugemutet, sein Zuhause mit einer zweiten Katze zu teilen. Darum brachte ich Eisstern in mein Büro beim Tierschutz-Fonds, wo unsere beiden Bürokatzen, Benedict und Little Girl, ihn erwarteten.
    Ideal war dieses Arrangement zunächst nicht, das muß ich zugeben. Benedict und Little Girl reagierten feindselig und behandelten den damals noch kleinen Eindringling ausgesprochen schlecht. Vergeblich warnte ich sie, daß er größer werden würde, nach dem Format seiner sechszehigen Pfoten zu urteilen, um einiges größer als sie. Und genauso war es. Heute gibt Eisstern den beiden Maß für Maß zurück, was sie ihm damals antaten. Selbst kurze Friedensperioden aufrechtzuerhalten ist schwierig, aber immerhin sind mittlerweile die Waffenstillstände häufiger als die offenen Fehden.
    Eines habe ich aus dem Umgang mit Eisstern gelernt – daß zwischen herrenlosen Stadtkatzen und herrenlosen Landkatzen ein grundlegender Unterschied besteht. Die Stadtkatzen haben im allgemeinen Scheu vor Menschen, da sie in der Regel unter den Taten der Menschen zu leiden hatten. Landkatzen hingegen sind vor allem anderen Tieren gegenüber mißtrauisch, da ihnen, während sie allein und auf sich gestellt waren, eben von anderen Tieren die meiste Gefahr drohte. Eisstern jedenfalls, der die Menschen liebt, hat für Tiere nichts übrig, leider auch nicht für Katzen; dafür kenne ich kaum eine Katze, die bei den Menschen, die ihr begegnen, mehr Gegenliebe findet als er.
    Mir war klar, daß es Leute geben würde, die mir trotz aller meiner Erklärungen die Aufnahme Eissterns nicht verzeihen würden. Und ich wußte auch, daß zu diesen Leuten Rosa, die Zugehfrau, gehörte. Da Rosa auch unser Büro saubermacht, ist sie sowohl mit Eisbär als auch mit Eisstern bestens bekannt, und in ihrer Gluckenliebe zu Eisbär war sie anfangs Eisstern gegenüber beinahe genauso abweisend wie die Bürokatzen. Ich weiß noch, wie sie mich einmal aus meiner Wohnung anrief.
    »Mr. Amory«, sagte sie in einem Ton, der nichts Gutes verhieß, »Eisbär ist heute sehr schwierig – er will einfach nicht fressen.«
    Ich erwiderte, Eisbär sei an vielen Tagen sehr schwierig, das sei bei einem Katzengriesgram nicht anders zu erwarten. Wenn er das Futter verweigere, fügte ich hinzu, so sei das nicht weiter schlimm, sondern angesichts seiner Ausmaße ganz gesund.
    Aber damit ließ Rosa sich natürlich nicht abspeisen. »Ich kann Ihnen sagen, warum Eisbär schwierig ist«, erklärte sie.
    »Er weiß ganz genau, daß Sie da drüben noch einen weißen Kater haben. Er hat die Haare auf Ihren Kleidern gesehen.«
    Ich entgegnete, Eisbär könne unmöglich von dem anderen Kater wissen, außerdem hätte ich immer schon die Haare diverser Tiere auf meinen Anzügen mit nach Hause gebracht.
    »Aber wenn er nun glaubt«, fragte sie streng und vorwurfsvoll, »daß Sie einen anderen Kater genauso lieben wie ihn?«
    Niemals, gab ich zurück, würde ihm dergleichen auch nur einfallen. Er sei schließlich ein kluges Tier und ganz bestimmt klug genug, um zu wissen, daß das nicht möglich sei. Ich ging sogar so weit zu sagen, daß ich wahrscheinlich nie wieder im Leben eine Katze so sehr lieben würde, wie ich Eisbär liebte.
    Damit war Rosa nun wenigstens teilweise zufriedengestellt. Dennoch stellte sie mir die eine letzte Frage: »Mr. Amory, werden Sie über Eisstern auch was schreiben?«
    Da ich wußte, daß sie sich schrecklich aufregen würde, wenn ich diese Frage bejahte, gab ich eine ausweichende Antwort. Normalerweise schrecke ich auch bei schwierigen Fragen nicht davor zurück, klar und deutlich zu antworten. Aber manchmal ist es einfach diplomatischer auszuweichen.
    Nach Beendigung dieses Gesprächs jedoch ließ ich mir die Frage ernsthaft durch den Kopf gehen und gelangte wie immer zur richtigen Lösung. Ich würde von Eisstern erzählen, ja, aber erst ganz am Schluß des Buches. Dort nämlich würde der Bericht vor Eisbär absolut sicher sein.
    Er hatte zwar mein erstes Buch gründlich beschnuppert und sich einiges davon sogar einverleibt. Aber er war nach allem, was ich für ihn getan hatte, nicht einmal so höflich gewesen, bis zum Ende dranzubleiben.
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