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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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Da er aber mittlerweile zwischen 12 und 14 ist – wir wissen ja nicht, welches Alter er hatte, als wir ihn fanden –, und ich zwischen 64 und 72 bin, nähern wir uns zu dem Zeitpunkt, da ich dies schreibe, beide mit Riesenschritten unserem gemeinsamen griesgrämlichen Höhepunkt und werden zweifelsohne fortan auf diesem Höhepunkt bleiben.
    Ja, ich würde sogar sagen, wenn Eisbär erst einmal zwischen 16 und 18 ist und ich in den Achtzigern stehe, werden wir den absoluten Gipfel griesgrämlicher Partnerschaft zwischen Mensch und Katze erklommen haben. Bei einer Gemeinschaft von, sagen wir, einem Katzengriesgram um die Zwanzig und einem Menschengriesgram von knapp über Siebzig hingegen gäbe es ebenso Schwierigkeiten wie bei einer Partnerschaft zwischen einem Menschengriesgram von neunzig und einem Katzengriesgram von acht Jahren. Ich kann mir vorstellen, daß jetzt einige unter Ihnen etwas konfus werden, aber wenn Sie sich die Tabelle noch einmal ansehen und dann die letzten drei Absätze noch einmal durchlesen, werden Ihnen die Zusammenhänge klarwerden, und Sie werden eine Menge gelernt haben.
    Für mich gibt es keinen Zweifel, daß ich Eisbär in seiner Entwicklung zum Griesgram ein sehr guter Mentor war, und ich beobachte mit Genugtuung, daß er immer häufiger an den gleichen modernen Torheiten Anstoß nimmt wie ich. Zwar ist er ihnen – da er nur höchst selten reist – nicht im gleichen Maß ausgesetzt wie ich, aber ich bin überzeugt, wenn er es wäre, würde er sich über die gleichen Dinge aufregen wie ich, als da sind Hotelfenster, die man nicht öffnen kann, Flugzeugsitze, die für einarmige Zwerge konstruiert sind, Kellner, Schalterbeamte, Telefonisten und Taxifahrer, die durchweg aus Ländern zu stammen scheinen, mit denen wir uns immer noch im Krieg befinden.
    Meine Vermutungen gründen auf der unwiderlegbaren Tatsache, daß Eisbär über schlampige Arbeit, nachlässigen Service, Dosen, Flaschen und Konservengläser, die nur ein ausgebildeter Mechaniker öffnen kann, ebenso zornig wird wie ich, ganz zu schweigen von den neumodischen Sahnebechern und Getreideflockenkartons, die sündteuer sind und meistens nur zur Hälfte gefüllt. Einigen modernen Auswüchsen gegenüber ist er sogar noch unduldsamer als ich; auf Anhieb fallen mir da frühmorgendliche und spätabendliche Telefonanrufe ein und die endlosen, überlauten Fernsehwerbespots, im besonderen die, in denen Katzen auftreten, die weder ihr Handwerk von Grund auf gelernt haben, noch auch nur halb so schön sind wie er.
    Es sind wahrhaft zwei Griesgrame nötig, um all diesen Unerhörtheiten die angemessene Empörung angedeihen zu lassen. Und diese Teamarbeit hat dazu beigetragen, daß wir uns im Lauf der Jahre immer näher gekommen sind. Ich glaube auch, in den letzten Jahren sichere Anzeichen dafür entdeckt zu haben, daß Eisbär sich in mancher Hinsicht größte Mühe gibt, mir immer ähnlicher zu werden. Das ist natürlich sehr schmeichelhaft. Ich wünschte zwar, er würde sich weniger auf meine wenigen Fehler und intensiver auf meine edlen Charakterzüge konzentrieren, aber mir ist auch klar, daß ich das Schlechte mit dem Guten nehmen muß und daß kein Mensch, wie Noël Coward einmal sagte, vor seinem Diener ein Held bleibt. Damit will ich selbstverständlich nicht sagen, daß Eisbär ein Diener ist, wenn ich mir auch wünschte, er wäre einer. Diener gehören zu den herrlichen altmodischen Einrichtungen, die rücksichtsloserweise aus unserem modernen Leben einfach verschwunden sind. Wie oft könnte ich morgens einen gebrauchen – und Eisbär ebenfalls! Er räumt nämlich überhaupt nichts auf, nicht einmal seine Spielsachen. In Wirklichkeit bin ich sein Diener – eine Absurdität bei einem reifen, vielbeschäftigten Biographen.
    Aber das, worauf ich wirklich hinaus will, ist die Tatsache, daß zwischen Griesgramen, die in so enger Gemeinschaft zusammenleben, keine Prätentionen möglich sind. Ein gutes Beispiel dafür sind unsere Wehwehchen. Es ist eine Tatsache, daß mit wachsender Reife auch die Urteilsfähigkeit, die Einsicht und der gute alte gesunde Menschenverstand wachsen. Tatsache ist aber leider auch, daß dieser geistige Zuwachs häufig von einem gewissen körperlichen Verfall begleitet ist.
    Bei mir zum Beispiel hat sich eine Arthritis der Hüfte entwickelt, und über Nacht wurde Eisbär von dem gleichen Leiden befallen. Aber während ich leide, ohne zu klagen, tut er das keineswegs. Glauben Sie etwa, wenn er zum
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