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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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begleitete, sprang Eisbär prompt von meinem Schoß und flüchtete sich unter das Bett, noch ehe der Mann überhaupt seinen Apparat gezückt hatte. Und unter dem Bett war er, wie ich dem Fotografen erklärte, als ich ihm das Schlafzimmer zeigte, praktisch unerreichbar.
    »Keine Sorge«, meinte der Fotograf. »Ich habe selbst eine Katze. Ich weiß, wie ich ihn da rausbringe.« Vergeblich warnte ich ihn. Selbst geübte Robber wie mein Bruder, der ehemalige Soldat, sagte ich, hätten sich hier erfolglos bemüht.
    »Unsinn«, entgegnete der Fotograf. »Sie werden sich wundern, wie schnell ich den Burschen da rausbekomme.« Und schon robbte er los.
    Augenblicklich begann Eisbär drohend zu fauchen. Gelegentlich sah ich flüchtig seine Nase oder die Schuhe des Fotografen, aber eine ganze Weile fand offenbar kein direkter Kontakt statt. Schließlich hörte ich, wie die Hand des Mannes auf den Boden klatschte; er hatte offenkundig versucht, Eisbär zu grapschen. Darauf folgte augenblicklich ein lauter Schlag – Eisbärs Pfote, wie ich wußte – und danach eine lange, ominöse Stille. Ich fürchtete das Schlimmste.
    Aber dann kroch der Fotograf endlich und sehr verlegen unter dem Bett hervor. Ich musterte ihn aufmerksam von oben bis unten und stellte erleichtert fest, daß er nicht blutete und alle seine Glieder noch gebrauchen konnte.
    »Wissen Sie, was ich tu?« sagte er. »Ich hole meinen Apparat und fotografiere ihn da unten. Das wird sowieso eine viel originellere Aufnahme.«
    Ich stimmte ihm aus tiefster Überzeugung zu.
    Von Anfang an wurde von vielen Seiten der Wunsch geäußert, Eisbär solle mich auf einer Reise zur Vorstellung meines Buches begleiten. Tatsache ist nämlich, daß Eisbär weit begehrter war als ich.
    Ich weiß, die Leute behaupten, ich hätte die Tour nur deshalb ohne Eisbär angetreten, weil ich die Konkurrenz scheute. Aber das stimmte ganz und gar nicht. Ich habe keine Angst vor Konkurrenz.
    Nein, etwas ganz anderes hielt mich davon ab, Eisbär auf die Reise mitzunehmen. Ich ließ ihn, wie ich den Leuten vom Verlag geduldig erklärte, zu Hause, weil das ständige Umherziehen von Stadt zu Stadt, von Flugzeug zu Flugzeug, von Hotel zu Hotel, ja von Taxi zu Taxi für ihn ungesund und qualvoll gewesen wäre und er mich dabei wahrscheinlich an den Rand des Wahnsinns getrieben hätte. Ich erklärte ihnen, daß dieses Herumzigeunern nach Eisbärs Meinung vielleicht für Hunde, Pferde, Vögel, Mäuse und Menschen akzeptabel wäre, aber absolut nicht für ihn.
    Ich gab den Leuten vom Verlag zwei Beispiele. Ich erzählte ihnen, wie ich einmal erwogen hatte, Eisbär in eine andere Wohnung zu bringen, während die meine gestrichen wurde – es war ein so grauenhaftes Unterfangen gewesen, daß ich schließlich aufgegeben hatte. In den zehn Jahren meines Zusammenlebens mit Eisbär hatte ich das Wohnzimmer und selbst die Küche streichen lassen, berichtete ich ihnen, aber nie das Schlafzimmer. Solange die Maler an der Arbeit waren, blieb Eisbär im Schlafzimmer, hockte wütend fauchend über das Lärmen im Nebenzimmer hinter der verschlossenen Tür, quittierte den Farbengeruch mit angewidertem Niesen und sah mich von Zeit zu Zeit an, als verstünde er die Welt nicht mehr.
    Ein andermal, erzählte ich weiter, hatte ich kurze Zeit mit dem Gedanken gespielt, mit Eisbär zusammen in einem kleinen Haus am Meer Urlaub zu machen. Ich hatte mir die Idee schnell wieder aus dem Kopf schlagen müssen. Ein Blick ins Haus hatte mir gezeigt, daß es nur einen einzigen Raum gab, wo er sicher eingesperrt werden konnte und keine Möglichkeit hatte, hinaus zu entwischen und auf Fischfang zu gehen, und das war eine stickige kleine Kammer. Mir war nichts anderes übriggeblieben, als meinen Sommerurlaub zu streichen.
    Der Verlag gab sich noch nicht geschlagen. Man sei zwar überzeugt, daß ich mein Bestes tun würde, um das Buch zu verkaufen, glaube aber, um ganz ehrlich zu sein, daß Eisbär mehr Talent besäße, das Buch an den Mann zu bringen. Das, klärte ich die Leute auf, sei ein arger Irrtum. Eisbär sei schon schwierig genug, wenn er im eigenen Revier mit fremden Menschen zu tun hätte; außerhalb sei er eine wahre Geißel Gottes. Und die Vorstellung, er habe Verkaufstalent, sei einfach absurd.
    Der langen Rede kurzer Sinn, am Ende waren die Leute vom Verlag widerwillig damit einverstanden, mich allein »auf Tour gehen« zu lassen, wie sie es nannten. Solche Touren sind, das habe ich aus harter Erfahrung gelernt, für den
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