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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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liebenswürdiger Leutseligkeit im Leib hatte. Funkeln oder ignorieren – das war sein ganzes Repertoire. Und es fiel ihm außerdem gar nicht ein, mir zuliebe seinen ewigen Krieg mit den Tauben aufzugeben. Vergeblich beschwor ich ihn, selbst wenn er den Balkon als seine Domäne und die Tauben als Aggressoren betrachte, doch wenigstens die Tatsache anzuerkennen, daß viele Menschen, ich eingeschlossen, diese Vögel mochten und es ausgesprochen unerquicklich fanden, daß er sie weiterhin nur als saftige Beutestücke betrachtete. Für jeden Prominenten, hielt ich ihm vor, gelte ein gewisses noblesse oblige .
    Aber diesen stolzen Ausdruck hätte ich mir ersparen können. Es war schwierig genug, mit Eisbär in schlichtem Englisch zu reden. In einer Fremdsprache brauchte man es gar nicht erst zu versuchen. Insgesamt mußte ich mir eingestehen, daß er nicht imstande war, auch nur die simpelsten Erwartungen, die man allgemein in einen Prominenten setzt, zu erfüllen.
    Das Durchschnittsmitglied der großen Gemeinde der »Katzen-Besessenen« hätte vielleicht an dieser Stelle das Handtuch geworfen. Aber ich gehöre nicht zum Durchschnitt, wie jene unter Ihnen wissen werden, die mich kennen. Es liegt mir nicht, nach dem ersten Mißerfolg die Flinte ins Korn zu werfen. Gut, sagte ich mir, ich habe Eisbär in diesem Kampf, einen ordentlichen Prominenten aus ihm zu machen, noch nicht besiegt. Aber genaugenommen hatte ich ja nur eine Schlacht geschlagen, und die hatte ich nicht aus eigenem Verschulden verloren. Die Tauben waren an meiner Niederlage schuld; ich hatte an zwei Fronten zugleich kämpfen müssen, und das ist schon manchem großen Feldherrn zum Verhängnis geworden. Insgesamt – und mit meiner gewohnten Objektivität – betrachtet, hatte ich nur eine einzige Schlacht verloren. Noch lange nicht den ganzen Krieg.
    Gewiß, ich hatte bei manchem Scharmützel mit ihm den kürzeren gezogen – aber diese Kämpfchen hatten eigentlich mit der Frage der Prominenz nichts zu tun gehabt. Einmal, das weiß ich noch, als er unbedingt auf seinen Balkon hinaus wollte und mir sein ungeduldiges »Ajau« ins Gesicht maunzte, beschloß ich, ihn, da der ganze Balkon verschneit war, in einen Pulli und Stiefel zu stecken. Gedacht, getan. Die Stiefel fertigte ich sogar aus meinen eigenen Socken. Dann sprang er hinaus, blieb aber nicht einmal eine Minute. Ich trat an sein Fenster, um zu sehen, wie er zurechtkam, aber sobald er mich erblickte, sauste er unter Zurücklassung des Pullis und der Stiefel wieder ins Zimmer. Und dann besaß er tatsächlich noch die Frechheit, mich neuerlich anzukreischen. Unverkennbar machte er mich für den Schnee verantwortlich, der anscheinend seiner Meinung nach den Tauben einen zusätzlichen Vorteil über ihn verschaffte.
    Kurz und gut, die nächste Phase meiner Attacke startete ich mit dem freimütigen Eingeständnis, daß das Prominentendasein natürlich aus seiner Sicht auch eine negative Seite hatte. Ich wolle gar nicht leugnen, sagte ich, daß er von Zeit zu Zeit die unwillkommene Störung aufdringlicher Fotografen würde über sich ergehen lassen müssen – ich sagte ihm, man nenne sie paparazzi –, und daß vielleicht sogar Klatschkolumnisten versuchen würden, in seinem Privatleben herumzuschnüffeln. Gleichzeitig jedoch wies ich mit Nachdruck darauf hin, daß es auch viel Positives habe, zur Prominenz zu gehören, und daß ich ihn gut genug kenne, um zu wissen, daß vieles davon ihm sehr behagen würde.
    Geduld, beispielsweise, niemals seine starke Seite, erklärte ich ihm, würde überhaupt kein Problem mehr sein. Er würde nicht mehr ewig herumsitzen und warten müssen, nicht einmal an jenem Ort, den er am meisten verabscheute – dem Wartezimmer des Tierarztes. Er würde vielmehr schon kurz nach seiner Ankunft mit Ehrerbietung ins Allerheiligste gebeten werden und hinfort nicht mehr die unangenehme Gesellschaft fremder Katzen oder, was noch schlimmer war, Hunde ertragen müssen. Und es gab auch noch andere positive Seiten, die ich nicht unerwähnt ließ. Niemand würde ihm jetzt mehr seine offenbar nicht auszumerzende schlechte Angewohnheit verübeln, Leute, die er hätte kennen müssen, wie Fremde zu behandeln; jetzt würde man ihm das mit der Begründung verzeihen, er käme zweifellos mit so vielen Menschen zusammen, daß man von ihm nicht verlangen könne, sich an jeden einzelnen zu erinnern. Er konnte ferner jede Gesellschaft und jeden Ort verlassen, wann immer es ihm beliebte, ohne daß man
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