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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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von vier Personen hintereinander auf der Straße erkannt worden war. Als mich wieder ein Mann anhielt, spielte ich bereits allen Ernstes mit dem Gedanken, mich um das Amt des Präsidenten zu bewerben. Aber als ich gerade zu meinem inzwischen schon routinierten leutseligen Winken ansetzen wollte, merkte ich plötzlich, daß das völlig fehl am Platz gewesen wäre. Der Mann hatte nämlich kein einziges Wort über meine Darbietung zu verlieren. Statt dessen gab er nur ein kurzes Statement ab. »Ihr Haar«, sagte er, »sah gut aus.«
    Da erst erkannte ich ihn. Es war mein Friseur, der sich von mir, wie er sich des öfteren beklagte, im Lauf der Jahre viel Kritik an den steigenden Preisen seines »Stylings«, wie er es bezeichnete, hatte gefallen lassen müssen. Ich glaube wirklich, wenn ich ihm freie Hand gelassen hätte, wäre ich eines Tages mit einem Schleifchen im Haar aus seinem Laden gegangen. Ich bin zwar durchaus ein selbstsicherer Mensch, aber so selbstsicher bin ich nun auch wieder nicht.
    Nachdem ich Eisbär diese Geschichte erzählt hatte, wies ich ihn darauf hin, daß er Begegnungen mit Fremden kaum zu fürchten habe, jedenfalls in weit geringerem Maß als jeder andere Prominente. Zu solchen Begegnungen auf der Straße, erklärte ich ihm, käme es schon deshalb nicht, weil er nie auf die Straße ginge, es sei denn, er hocke sicher in seinem Katzenkoffer oder marschiere an der Leine mit mir zum Central Park, und selbst dann trüge ich ihn ja beim Überqueren der Straße auf dem Arm und könnte aufdringliche Fremde jederzeit abwimmeln. Sollte er Angst haben, etwa auf einer Reise mit Fremden Umgang pflegen zu müssen, so ergäbe sich diese gefürchtete Möglichkeit kaum. Eisbärs Reisen und Wanderungen beschränkten sich im allgemeinen auf meine Wohnung – im Süden die Küche, im Westen das Wohnzimmer, im Norden das Schlafzimmer und im Osten sein Balkon –, und in diesen Räumen streifte er nur herum, wenn kein Mensch da war. Waren Besucher da, so zog er es vor, im Schlafzimmer mitten unter dem Bett zu verweilen. Und da begegnete er allenfalls ab und zu einer kleinen Spinne.
    Der Balkon jedoch war eben der Ort, wo sich Eisbär dem Problem der öffentlichen Bekanntheit stellen und mit ihm umgehen lernen mußte. Er war nämlich dort oben für die Leute auf dem Bürgersteig gut sichtbar. Die Leser, die sich an mein erstes Buch über Eisbär erinnern, werden wissen, daß der geniale Einfall mit dem Balkon von mir und von mir allein stammt. Ich hatte fast die Hälfte meines Balkons an Eisbär abgetreten. Ich gelangte auf meine Hälfte durch die Balkontür, er auf seine, ganz mit Maschendraht umschlossene, nur durch das Schlafzimmerfenster. Der Maschendraht sollte gewährleisten, daß er sein lebenslanges Interesse an der Ornithologie verfolgen konnte – und er tat das im wahrsten Sinne des Wortes –, ohne dabei vom Balkon zu fallen und auf die Straße hinunterzustürzen.
    Immer wieder bleute ich ihm ein, daß diese Lösung absolut genial und einzig zu seinem Schutz gedacht sei. Aber er weigert sich natürlich bis heute, die Sache aus diesem Blickwinkel zu sehen. In seiner kleinlichen Blindheit sah er den Balkon einzig als Gefängnis, das weniger ihm, als vor allem den Tauben Schutz bieten sollte, und er fand das Arrangement ausgesprochen unfair, da es die Tauben eindeutig bevorteilte. Sie konnten nach Herzenslust über ihm und um ihn herumflattern und ihre Kurzstreckengeschosse auf ihn hinuntersausen lassen, während ihm jede Möglichkeit zur Gegenwehr genommen war, nur weil ich lausiger Stratege ihm diesen Käfig verpaßt hatte.
    Eines war mir klar: Wenn ich einen rechten Prominenten aus ihm machen wollte, mußte ich dafür sorgen, daß er seine negativen Ansichten über den Balkon und die Tauben aufgab und einsah, daß er sich, wenn auf seinem Balkon, von seiner besten Seite zu zeigen hatte – publikumswirksamste wagte ich nicht zu sagen, da er Publikum haßte. Kurz und gut, er würde Flagge zeigen müssen. Das mindeste, was ich erwartete, war, wie ich ihm erklärte, daß er, wenn ein Fremder von der Straße zu ihm heraufrief, angemessen reagierte. Ein kurzes, leutseliges Nicken oder Winken wäre genau richtig.
    Ich erreichte natürlich nicht, was ich wollte. Wenn jemand seinen Namen rief, funkelte er entweder böse hinunter – so ziemlich das übelste Prominentenverhalten, das es gibt –, oder er ignorierte den Rufer einfach. Das Problem war, daß er schlicht und einfach nicht einen einzigen Funken
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