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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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nach angemessener Zeit so, als sei ich fest eingeschlafen. Ich glaubte, nun würde er, auch wenn er mir noch so böse war, aufs Bett springen und ebenfalls schlafen. Solange ich schlief, konnte er das ja ohne weiteres tun, ohne gegen seine Prinzipien zu verstoßen. Ich mußte lange warten. Endlich hörte ich sein vertrautes »Ajau!« und spürte seinen Sprung auf das Fußende des Bettes. Die nächste Etappe konnte ich kaum erwarten – den bedächtigen Gang bettaufwärts, den Plumps auf meinen Bauch. Dann wollte ich ihn mir schnappen.
    Aber er gab mir nie die Chance dazu. Er marschierte vielmehr über das Bett zur äußersten Ecke, die am weitesten von meinem Kopf entfernt war, und blieb dort. Er war entschlossen, mir ein für allemal klarzumachen, daß seine Abneigung gegen völlig unnötige Reisen für mich noch lange kein Grund war, ohne ihn herumzuziehen. Ich brauchte nur – und das zu begreifen, müßte doch eigentlich selbst ich fähig sein – dort zu bleiben, wo ich hingehörte, dann konnten wir Zusammensein, soviel wir wollten. Einfache Katzenlogik.
    2. Katzenzauber
    Das einzige, was Eisbär, soweit ich je feststellen konnte, an seiner Prominentenrolle wenigstens halbwegs gefiel, war der Zuwachs an Post, die wir bekommen. Vorher hatte er sich nie sonderlich für die Post interessiert, und ich bin sicher, so wäre es auch geblieben, hätten wir auf dem Land gelebt, wo einem die Post noch wie in der guten alten Zeit zur Tür gebracht wird.
    Eisbär hat nämlich ganz entschieden etwas dagegen, daß fremde Leute an »seine« Tür kommen. Man kann die paar Menschen, denen er solche Annäherung erlaubt, an den Fingern einer Hand abzählen, und selbst da hätte man noch ein oder zwei Finger übrig. Und ganz bestimmt hätten zu den akzeptablen Personen keine Briefträger gehört. Eisbärs Verhältnis zu Briefträgern entspricht dem von Briefträgern zu Hunden.
    Das weiß ich mit Sicherheit, weil sich eine gelegentliche Begegnung Eisbärs mit einem Briefträger selbst in der Stadt, wo einem die Post einfach unten in den Kasten geworfen wird und man sie selbst herausholen muß, nicht vermeiden läßt. Er trifft beispielsweise mit dem Briefträger zusammen, wenn der wegen der Unterschrift für einen eingeschriebenen Brief heraufkommt oder kurz vor Weihnachten mit einem Päckchen läutet.
    Einen dieser vorweihnachtlichen Briefträgerbesuche werde ich gewiß nie vergessen. Irgend jemand, der wahrhaftig kein Verpackungskünstler war, schickte da Eisbär eine Ladung frischen Baldrian von einem Bauernmarkt. Der Briefträger mußte die Geschenksendung heraufbringen, weil sie per Eilboten aufgegeben worden war. Als ich ihm öffnete, stand er mit einem notdürftig verpackten Korb vor mir, in dem etwas wie ein Blumenstrauß steckte. Ich hatte keine Ahnung, daß es sich um Baldrian handelte, aber Eisbär wußte es praktisch schon von dem Moment an, als es läutete. Als er mit einem Satz abhob, versuchte ich, mich zwischen den Postboten und den Baldrian zu schieben, und ich dachte schon, ich hätte es ganz gut geschafft. Aber es kam buchstäblich zu einem Kampf auf Biegen und Brechen, und als alles vorbei war, stand Eisbär eindeutig als Sieger da. Er hatte den Baldrian, obwohl der Briefträger ihn, wie ich sah, nach diesem Überfall weit dringender gebraucht hätte. Ich bin überzeugt, der gute Mann hat von da an Hunde bevorzugt.
    Dies jedoch war ein Einzelereignis. Mit wachsenden Poststapeln und dank seltenen Zusammentreffen mit Briefträgern begann Eisbär, wie ich schon sagte, zunehmendes Interesse an der Post zu zeigen. Er schien irgendwie zu riechen, daß viel mehr Briefe an ihn als an mich adressiert waren.
    Ich erinnere mich an einen Tag, als ich zwei Päckchen heraufbrachte, das eine für ihn, das andere für mich. Er machte seines auf, während er auf dem meinen hockte. Seine Fähigkeit, sofort die für ihn bestimmten Päckchen auszumachen, war wirklich bemerkenswert. Dabei war es nicht etwa so, daß alle von ihnen verräterische Geschenke wie Baldrian oder ähnliche Delikatessen enthielten, die mit der Nase leicht zu wittern waren. Es kamen viele andere, die weniger leicht identifizierbare Dinge enthielten – Spielzeug, zum Beispiel, oder Dosenfutter. Ich weiß bis heute nicht, woher er jedesmal sofort wußte, daß sie für ihn waren.
    Und sobald er eines ausgemacht hatte, das für ihn bestimmt war, ging er damit um, als könnte es ihm entwischen, wenn er nicht sogleich mit Zähnen und Krallen wie ein Raubtier
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