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Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Titel: Die Katze, die den Dieb vertrieb.
Autoren: Lilian Jackson Braun
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verstehen versucht, könnte man verrückt werden«, sagte er sanft und hoffte, sie von seinem eigenen wachsenden Verdacht abzulenken. »Denk einfach nur daran, wie glücklich sie während ihrer letzten Wochen gewesen ist, und was für ein liebenswürdiger, hilfsbereiter Mensch sie ihr ganzes Leben war.«
    »Du hast recht«, sagte Polly und holte tief Luft. »Nach der schweren Enttäuschung, die sie vor zwanzig Jahren erlebt hat, hat sie sich nie selbst bemitleidet, sondern sich weiter um andere gekümmert und das Leben genossen, aber…« Ihre Stimme schwankte. »Ich kann jetzt nicht darüber sprechen, Qwill. Ich muß eine Weile allein sein.«
    Bei seiner Rückkehr war auf Qwillerans Anrufbeantworter eine Nachricht von Dr. Diane. Er rief in ihrer Praxis an. »Ich hatte so einen Verdacht«, sagte sie, »also bin ich etwas früher in die Praxis gegangen, um mir Lynettes Kartei anzusehen. Sie hat zu Lebzeiten verfügt, daß ihre Augen und ihre Organe für Transplantationen verwendet werden dürften. Ich habe in dem Krankenhaus angerufen und erfuhr, daß man die Ärzte nicht darüber informiert hatte, daß sie Organspenderin war. Sie waren vom nächsten Angehörigen autorisiert worden, den Leichnam gleich ins Leichenschauhaus zu bringen, was sie auch getan hatten. Ich rief im Leichenschauhaus an. Es war sogar für eine Autopsie schon zu spät. Sie sagten, ihr nächster Angehöriger hätte sie beauftragt, den Leichnam zu verbrennen!«
    Qwilleran sagte: »Das entspricht ganz und gar nicht Lynettes Wunsch! Sogar ich wußte, daß sie in der Gruft der Duncans auf dem Hilltop-Friedhof beerdigt werden wollte – und daß sie sich ein feierliches Begräbnis wünschte, wie das ihres Bruders.«
    »Anscheinend wußte ihr Mann das alles nicht«, sagte Diane.
    Er dachte: So was bespricht man gewöhnlich nicht auf der Hochzeitsreise. Laut sagte er: »Diane, ich habe Polly die schlimme Nachricht überbracht, und sie wollte eine Zeitlang allein sein, aber ich glaube, über diese neue Entwicklung sollten Sie doch mit ihr reden.«
    »Gern«, sagte sie. »Ich weiß noch nicht genau, wie oder wann, aber ich überlege mir schon etwas. Meine Eltern werden am Boden zerstört sein, wenn sie davon erfahren.«
    »Viele andere Leute auch.«
    »Wo wohl ihr Mann ist?«
    »Der fliegt heute nach Hause. Ich habe vor, ihn heute abend anzurufen. Vielleicht kann er mir eine Erklärung geben. Inzwischen wird es wohl in der heutigen Zeitung Schlagzeilen machen.«
    Qwilleran war todmüde. Mit zwei oder drei Stunden Schlaf würde er über die Runden kommen; Anrufe konnte sein Anrufbeantworter festhalten. Um halb elf war er munter und bereit für neue Taten. Er mußte eine Kolumne schreiben, doch das Thema, das er im Auge gehabt hatte, schien ihm unpassend. Es hätte eine Abhandlung über Frühstücksmüsli werden sollen, Pro und Kontra, gestern und heute, warm und kalt, mit und ohne Rosinen. Er rief Polly an.
    »Wie geht es dir?« fragte er freundlich.
    Sie antwortete mit müder Stimme, wie ein Mensch, der zuviel geweint hat. »Es geht mir schon wieder etwas besser. Gibt es irgend etwas, was ich tun sollte? Jetzt bin ich ja nicht mehr ihre nächste Angehörige, nicht wahr? Diane hat mich angerufen. Keiner von Lynettes letzten Wünschen ist respektiert worden. Vielleicht wußte er nichts davon.«
    »Es gibt schon etwas, was du tun könntest, Polly, und zwar etwas sehr Sinnvolles. Hilf mir, eine Kolumne über die Lynette zu schreiben, die jedermann kannte: Lynette, die den Highland-fling tanzte, die Patienten im Krankenhaus besuchte, die Bridge-Turniere gewann, die beim Kirchenbasar die Gastgeberin spielte, die im Winter zum Hilltop-Friedhof pilgerte und ihre Vorfahren bis ins elfte Jahrhundert zurückverfolgen konnte.«
    »Das könnte ich schon machen«, sagte sie. »Aber ich müßte ein wenig darüber nachdenken.«
    »Denk schnell. Ich muß den Redaktionsschluß schaffen. Ich bin um eins mit meinem Kassettenrecorder bei dir.«
    Er wußte, es würde ihr guttun, an etwas Konstruktivem mitzuarbeiten. Und für ihn war es eine einfache Methode, in größter Eile eine Kolumne aus dem Boden zu stampfen. Wie sich herausstellte, waren Pollys Erinnerungen äußerst interessant und die Art, wie sie erzählte, druckreif. So brauchte er alles nur noch auf seiner Schreibmaschine abzutippen. Wenn bloß alle Interviews so ein Kinderspiel wären!
    Während er das Band abtippte, ging es am Regalschrank rund. Yum Yum kratzte an der Spielzeugschublade, Koko bearbeitete die
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