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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Werden Sie über die Restaurants in Mooseville schreiben?«
»Nein, ich bin auf Urlaub hier. Was ist denn hier los?«
»Nur ein routinemäßiges Manöver«, scherzte der Polizist. »Wir müssen in Übung bleiben. Schönen Urlaub, Mr. Qwilleran.«
Es war Juni. In der Großstadt waren die Tage jetzt lang; im Norden waren sie noch länger. Qwilleran war müde und schaute immer wieder auf die Uhr und auf die Sonne, die einfach nicht untergehen wollte. Er lief und rutschte die Düne hinunter, um sich den Strand anzusehen und die Wassertemperatur zu prüfen. Das Wasser war eisig, wie Riker prophezeit hatte. Der See lag ruhig da und plätscherte nur ganz leise, wenn er ans Ufer schlug. Das einzige, was man hörte, war das Summen der Stechmücken. Als Qwilleran schließlich in fieberhafter Eile den Hügel hinaufkletterte, wurde er von einem ganzen Schwarm verfolgt. Sie hatten schnell das Loch im Fliegendraht entdeckt und strömten in Scharen auf die Veranda.
Er stürzte in die Hütte, schlug die Tür zu und rief sofort in Pickax an.
»Guten Abend«, sagte eine freundliche Stimme.
»Francesca, ich möchte dir nur sagen, daß wir gut angekommen sind.« Qwilleran sprach rasch, um sein Anliegen vorzubringen, bevor ihre Aufmerksamkeit nachließ. »Die Hütte ist phantastisch, aber wir haben ein Problem. Ein Falke ist durch den Fliegendraht geflogen und hat ein großes Loch gemacht. Ich habe ihn von der Veranda verjagt, aber er hat auf dem Teppich und den Möbeln Spuren hinterlassen.«
Tante Fanny nahm die Nachricht gelassen auf. »Nun mach dir mal keine Gedanken darüber, mein Junge«, brummte sie liebenswürdig. »Tom wird morgen hinkommen und das Gitter reparieren und die Veranda saubermachen. Das ist gar kein Problem. Er macht das gerne. Tom ist ein Juwel. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn täte. Wie geht's den Stechmücken? Ich sage Tom, er soll dir einen Insektenspray mitbringen. Du wirst es auch für Spinnen und Hornissen brauchen. Sag mir, wenn du eine Ameiseninvasion hast; sie sind schwer zu bremsen. Bring keine Marienkäfer um, mein Junge. Das bringt Unglück, weißt du. Möchtest du noch Kassetten für die Stereoanlage? Ich habe ein paar tolle Kassetten mit Chicago-Jazz. Magst du Opern? Tut mir leid, daß es keinen Fernseher gibt, aber ich finde, Fernsehen ist im Sommer Zeitverschwendung, und es wird dir nicht abgehen, wenn du dein Buch schreibst.«
Nach der Unterhaltung mit der Frau Präsidentin probierte Qwilleran den Kassettenrecorder aus. Er drückte auf zwei Knöpfe, und das Doppelkonzert erklang in ausgezeichneter Tonqualität. Er hatte einmal eine Freundin gehabt, die nichts anderes als Brahms gehört hatte, und er würde das gute alte Opus 102 nie vergessen.
Die Sonne versank schließlich im See, Wasser und Himmel ertranken in Rosa und Orange, und er war bereit schlafenzugehen. Die Katzen waren ungewöhnlich ruhig. Normalerweise tollten sie noch einmal ausgiebig herum, bevor sie sich niederlegten. Aber wo waren sie jetzt? Auf dem Elchkopf und auf den Deckenbalken waren sie nicht. Auf ihrem blauen Kissen, das er auf den Kühlschrank gelegt hatte, auch nicht. Sie saßen weder auf den beiden weißen Leinensofas vor dem Kamin noch auf den Betten in den beiden Schlafräumen.
Qwilleran rief nach ihnen. Keine Antwort. Sie waren viel zu sehr mit Beobachten beschäftigt. Sie kauerten auf einem Fensterbrett in dem nach Süden gelegenen Schlafraum und starrten auf irgend etwas da draußen in der Dämmerung. Das Grundstück war im unberührten Zustand belassen worden, und man sah nichts als die Sanddüne, das Unterholz und Nadelbäume. Ein paar Meter von der Hütte entfernt war jedoch eine Vertiefung im Sand – von ungefähr rechteckiger Form. Sie sah aus wie ein eingesunkenes Grab. Die Katzen hatten sie sofort entdeckt; sie entdeckten immer alles, was ungewöhnlich war.
»Springt herunter«, sagte Qwilleran zu ihnen. »Ich muß über Nacht das Fenster schließen.«
Er nahm sich den nach Norden gelegenen Schlafraum, weil er einen Blick auf den See bot, doch so müde er war, er konnte nicht schlafen. Er dachte an das Grab. Was konnte hier vergraben sein? Sollte er es Tante Fanny sagen? Oder sollte er es einfach ausbuddeln? Es gab einen Geräteschuppen auf dem Grundstück, und dort gab es gewiß Schaufeln.
Er warf sich stundenlang schlaflos herum. Es war so dunkel! Es gab keine Straßenlampen, keine Neonlichter, keine anderen Wohnungen, keinen Mond, keinen Lichtschein, der von der Nähe der Zivilisation kündete – nur eine
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