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Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Titel: Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Autoren: Rick Riordan
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konnten immer noch zaubern. Es erforderte bloß viel mehr Konzentration und viel mehr Zeit. Ich ging jeden Tag mit dem Gefühl schlafen, ich hätte zwölf Stunden Schwerstarbeit geleistet; irgendwann hatten wir jedoch die Wände und Decken repariert und so viel Schutt weggeräumt, dass das Haus nicht mehr nach Rauch stank. Es gelang uns sogar, die Terrasse und den Pool wieder auszubessern. Wir führten Amos nach draußen, damit er zusehen konnte, wie wir die wächserne Krokodilstatuette ins Wasser ließen und Philipp von Makedonien zum Leben erwachte.
    Der Anblick entlockte Amos fast ein Lächeln. Doch dann sank er auf einen Stuhl auf der Terrasse und starrte verzweifelt auf die Skyline Manhattans.
    Ob er je wieder der Alte sein würde? Er hatte zu viel Gewicht verloren. Sein Gesicht sah eingefallen aus. An den meisten Tagen schlurfte er im Bademantel herum und machte sich nicht mal die Mühe, seine Haare zu kämmen.
    »Seth hat Besitz von ihm ergriffen«, erklärte mir Sadie eines Morgens, als ich erwähnte, dass ich mir Sorgen machte. »Kannst du dir vorstellen, was für ein Gewaltakt das ist? Sein Wille wurde gebrochen. Er zweifelt an sich selbst … Na ja, wahrscheinlich dauert es eine ganze Zeit …«
    Wir versuchten, uns durch Arbeit abzulenken. Wir reparierten die Thotstatue und stellten die kaputten Uschebti in der Bibliothek wieder auf. Mir lagen eher die Routinearbeiten – Steinblöcke herumschieben oder Deckenbalken an ihren Platz hieven. Sadie stellte sich geschickter bei den Feinarbeiten an – wie zum Beispiel beim Reparieren von Hieroglyphensiegeln an den Türen. Einmal beeindruckte sie mich echt: Sie stellte sich ihr Zimmer genau so vor, wie es mal gewesen war, dann sagte sie den Zauberspruch zum Zusammenfügen, hi-nehm . Aus dem Schutt erhoben sich Bruchteile von Möbelstücken und waren peng! auf der Stelle repariert. Natürlich fiel Sadie danach für zwölf Stunden in Ohnmacht, aber trotzdem … schon echt gut. Langsam, aber sicher fühlte sich die Villa wie ein Zuhause an.
    Nachts schlief ich mit dem Kopf auf einer verzauberten Kopfstütze, die meinen Ba die meiste Zeit davon abhielt, sich auf Wanderschaft zu begeben; trotzdem hatte ich manchmal noch seltsame Visionen – die rote Pyramide, die Schlange am Himmel oder das Gesicht meines Vaters, als er in Seths Sarg gefangen lag. Einmal glaubte ich Zias Stimme zu hören, die mir von weit weg etwas zu erzählen versuchte, doch die Worte konnte ich nicht verstehen.
    Sadie und ich bewahrten unsere Amulette in einem verschlossenen Kasten in der Bibliothek auf. Jeden Morgen schlich ich mich nach unten, um nachzuschauen, ob sie noch da waren. Und jedes Mal lagen sie dort und leuchteten und fühlten sich warm an. Ich war versucht – sehr versucht –, das Horusauge umzuhängen. Aber ich wusste, ich durfte es nicht. Die Macht machte süchtig, war zu gefährlich. Ich hatte einmal ein Gleichgewicht mit Horus erreicht, unter Extrembedingungen, aber ich wusste, beim nächsten Mal könnte ich leicht überwältigt werden. Bevor ich so viel Macht anzapfte, musste ich erst meine Ausbildung absolvieren und ein besserer Magier werden.
    Eines Abends bekamen wir beim Essen Besuch.
    Amos war wie üblich früh zu Bett gegangen. Cheops schaute sich im Wohnzimmer mit Muffin auf dem Schoß eine Sportsendung im Fernsehen an. Sadie und ich saßen erschöpft auf der Terrasse, von der man auf den Fluss sehen konnte. Philipp von Makedonien ließ sich schweigend in seinem Pool treiben. Bis auf das Brummen der Stadt war es eine ruhige Nacht.
    Ich kann nicht genau sagen, wie es passiert ist, aber den einen Moment waren wir noch allein und dann stand plötzlich ein Typ am Geländer. Er war groß und schlank, hatte verwuschelte Haare und blasse Haut und trug ausschließlich schwarze Klamotten. Er sah aus, als hätte er einen Priester oder so überfallen. Er war ungefähr sechzehn. Obwohl ich sein Gesicht noch nie zuvor gesehen hatte, hatte ich das komische Gefühl, ihn zu kennen.
    Sadie sprang so schnell auf, dass sie ihre Erbsensuppe umstieß – die schon in der Schüssel schlimm genug ausgesehen hatte. Aber wenn so was über den ganzen Tisch läuft? Widerlich.
    »Anubis!«, platzte sie heraus.
    Anubis? Ich dachte, sie machte Witze, denn dieser Typ sah dem geifernden schakalköpfigen Gott, den ich im Land der Toten gesehen hatte, überhaupt nicht ähnlich. Er ging einen Schritt auf uns zu, meine Hand tastete nach meinem Zaubermesser.
    »Sadie«, sagte er. »Carter.
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