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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame
Autoren: Alexandre Dumas
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Zeichen, daß die Krankheit schlimmer wird. Fast bedauere ich, Ihrem Vater gehorcht zu haben. Wenn ich gewußt hätte, daß ich nur noch ein Jahr zu leben habe, ich hätte dem Wunsch nicht widerstanden, dieses Jahr Ihrer Zukunft für mich zu beanspruchen, es mit Ihnen zu verleben.
Dann könnte ich sterbend die Hand eines Freundes halten. Aber es ist wahr, wenn ich mit Ihnen zusammengelebt hätte, müßte ich nicht so bald schon sterben. Gottes Wille geschehe.
5. Februar Oh, kommen Sie, kommen Sie, Armand! Ich leide furchtbar! Mein Gott, ich muß sterben. Gestern war ich so traurig, daß ich nicht zu Hause bleiben wollte. Ich fürchtete mich vor dem Abend, der ebensolang werden würde wie der vorherige. Der Herzog war morgens gekommen. Ich glaube, der Anblick dieses Mannes, den der Tod vergessen hat, bringt mich noch eher ins Grab. Trotz des hohen Fiebers habe ich mich angezogen und mich ins Vaudeville fahren lassen. Julie hatte mir Rouge aufgelegt, ohne das ich wie eine Leiche ausgesehen hätte. Ich saß in der Loge, in der wir uns zum erstenmal begegneten. Die ganze Zeit über blickte ich auf den Platz, auf dem Sie damals saßen. Gestern saß dort ein rechter Flegel, der über die Späße der Schauspieler laut lachte. Halbtot hat man mich nach Hause getragen. Die ganze Nacht hustete ich Blut. Heute kann ich nicht mehr sprechen und kaum noch meine
Arme bewegen. Mein Gott, mein Gott, ich muß sterben. Ich habe das erwartet. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß man noch mehr leiden kann als ich, und wenn ...« Von diesen Worten ab waren die wenigen Schriftzüge, die Marguerite noch versucht hatte, nicht mehr leserlich. Julie Duprat hatte weitergeschrieben.
18. Februar Herr Armand, seit dem Tage, an dem Marguerite im Theater war, wurde sie immer kränker. Sie hatte vollständig die Sprache verloren, dann konnte sie auch ihre Glieder nicht mehr bewegen. Man kann unmöglich beschreiben, was unsere arme Freundin leidet. Ich bin derartige Schrecken nicht gewohnt und lebe in einer ständigen Angst. Wie sehr wünsche ich, Sie wären bei uns! Marguerite phantasiert fast immer. Aber ob sie phantasiert oder bei klarem Verstand ist, immer ruft sie Ihren Namen, wenn sie einen Ton von sich geben kann. Der Arzt sagte mir, daß sie nicht mehr lange leben wird. Seit sie so schwer krank ist, ist der Herzog nicht mehr wiedergekommen. Er hat dem Arzt gesagt, daß der Anblick ihm zu schmerzlich sei. Frau Duvernoy benimmt sich nicht nett. Diese Frau, die hoffte, von Marguerite noch mehr Geld zu bekommen, nachdem sie schon fast ausschließlich auf deren Kosten lebte, ist Verpflichtungen eingegangen, die sie nicht halten kann. Jetzt, wo ihre Nachbarin ihr nicht mehr nützlich sein kann, kommt sie nicht einmal, um sie zu besuchen. Alle verlassen sie. Herr von G... mußte, wegen seiner Schulden hier, nach London abreisen. Vor seiner Abreise hat er uns noch etwas Geld geschickt. Er hat getan, was er konnte. Aber man hat wieder gepfändet. Die Gläubiger warten nur noch den Tod ab, um die Versteigerung vorzunehmen. Ich wollte mein letztes Geld geben, um das Pfänden zu
verhindern. Aber der Gerichtsvollzieher sagte mir, das sei unnütz. Jetzt, wo sie sterben wird, ist es vielleicht besser, all ihren Besitz herzugeben, als ihn für ihre Familie zu retten, von der sie nichts wissen wollte und die auch sie nie geliebt hat. Sie können sich nicht vorstellen, in welch glänzendem Elend das arme Mädchen stirbt. Gestern hatten wir kein Geld mehr. Silber, Schmuck, Schals, alles ist gepfändet. Das übrige ist verkauft oder schon im Leihhaus. Marguerite nimmt das, was um sie herum vor sich geht, noch wahr. Sie leidet mit ihrem Körper, mit ihrem Herzen und mit ihrer Seele. Große Tränen rollen über ihre Wangen, die so blaß und eingefallen sind, daß Sie das geliebte Antlitz nicht wiedererkennen würden. Sie nahm mir das Versprechen ab, Ihnen zu schreiben, wenn sie es nicht mehr könne. Ich schreibe unter ihren Blicken. Sie schaut zu mir hin, aber sie sieht mich nicht. Ihr Blick ist durch den nahen Tod schon abgekehrt. Aber sie lächelt, und alle ihre Gedanken und Gefühle sind bei Ihnen, dessen bin ich sicher.
Jedesmal, wenn die Türe aufgeht, erhellen sich ihre Augen. Sie glaubt immer, Sie würden eintreten. Wenn sie dann merkt, daß Sie, Herr Armand, es nicht sind, nimmt ihr Gesicht wieder den schmerzvollen Ausdruck an. Kalter Schweiß steht ihr auf der Stirn, und ihre Wangen sind purpurrot.
19. Februar, Mitternacht Heute war ein sehr
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