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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame
Autoren: Alexandre Dumas
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und von der Sie mir am Abend erzählten.
Am nächsten Morgen, während Sie in Paris waren und vergeblich auf Ihren Vater warteten, brachte mir ein Unbekannter einen Brief von Herrn Duval.
In diesem Brief, den ich beifüge, wurde ich dringend gebeten, Sie am nächsten Tag unter irgendeinem Vorwand fortzuschicken und Ihren Vater zu empfangen. Er hätte mit mir zu sprechen und befahl mir, Ihnen von seinem Vorhaben nichts zu sagen. Sie wissen, wie inständig ich Sie bat, am nächsten Tag wieder nach Paris zu gehen. Eine Stunde waren Sie fort, als Ihr Vater kam. Ich verschone Sie mit der Beschreibung des Eindruckes, den das ernste Gesicht Ihres Vaters auf mich machte. Ihr Vater war voller veralteter Ansichten. Er glaubte, alle Kurtisanen seien Wesen ohne Herz und Verstand, lediglich Maschinen, die Geld in Empfang nehmen, und wie diese eisernen Werkzeuge bereit sind, die Hand, die ihnen etwas reicht, zu zermalmen und mitleidlos denjenigen zu zerfleischen, der ihnen die Mittel gibt, daß sie leben und handeln können. Ihr Vater hatte mir einen Brief geschrieben, der so abgefaßt war, daß ich keinen Grund sah, ihn nicht zu empfangen. Aber er selbst war nicht so, wie ich ihn mir nach seinem Brief vorgestellt hatte. Er war hochmütig und gebrauchte beleidigende Worte mir gegenüber. Ich gab ihm zu verstehen, daß er sich in meiner Wohnung befinde und ich ihm deshalb noch keine Rechenschaft schuldig sei über mein Leben, weil ich eine ernsthafte Neigung für seinen Sohn empfände. Herr Duval beruhigte sich etwas, sagte mir aber, er könne es nicht dulden, daß sein Sohn sich weiterhin für mich zugrunde richte. Ich sei schön, ja, aber ich dürfe meine Schönheit nicht dazu benutzen, die Zukunft eines jungen Mannes durch meine Verschwendungssucht zu zerstören. - Darauf konnte ich nur eines erwidern, nicht wahr, ich konnte nur beweisen, daß ich, seit ich Ihre Geliebte war, nie größere Geldsummen von Ihnen erbeten hatte, als Sie geben konnten, und daß ich keine Opfer scheute, um Ihnen treu zu bleiben. Ich zeigte ihm die Pfandbriefe des Leihhauses, die Quittungen der Käufer meiner Sachen. Ich teilte Ihrem Vater mit, daß ich meine Möbel verkaufen wollte, um meine Schulden zu bezahlen und um dann mit Ihnen zusammenleben zu können, ohne eine allzu schwere Bürde für Sie zu sein. Ich erzählte ihm von unserem Glück und meiner Genesung, die ich Ihnen verdanke. Er ließ sich durch die Beweise überzeugen, reichte mir die Hand und entschuldigte sich für die Art und Weise, in der er mir entgegengetreten sei. Dann sagte er zu mir:
,Ich versuche also nicht mehr durch Vorhaltungen und Beleidigungen, sondern durch Bitten zu erreichen, daß Sie ein Opfer bringen, das viel größer ist als alles, was Sie bisher für meinen Sohn taten.' Ich zitterte bei dieser Einleitung.
Ihr Vater trat dicht vor mich hin, ergriff meine beiden Hände und sagte herzlich:
,Mein Kind, verstehen Sie das, was ich Ihnen nun sagen werde, nicht falsch. Aber begreifen Sie, daß das Leben manchmal grausam mit unseren Herzen umgeht. Man muß sich fügen. Sie sind ein guter Mensch. Sie denken edel. Viele Frauen werden Sie dennoch verachten und werden Sie falsch beurteilen. Aber bedenken Sie, daß es im Leben nicht nur eine Geliebte, sondern auch eine Familie gibt. Außer der Liebe gibt es auch Pflichten. Auf das leidenschaftliche Alter folgt das gemäßigte. Dann muß ein Mann, wenn er angesehen sein will, eine gesicherte Stellung haben. Mein Sohn hat kein Vermögen. Deshalb ließ er Ihnen den Ertrag aus dem Erbteil seiner Mutter überschreiben. Wenn Sie ihm Opfer bringen, verlangt es seine Mannesehre und -würde, als Ausgleich für Ihren Verzicht Ihnen dieses Geschenk zu machen. Dadurch opfern Sie sich gegenseitig etwas. Aber er darf Ihr Opfer nicht annehmen, denn die Welt, die Sie nicht kennt, würde hinter seiner Einwilligung einen unredlichen Grund wittern. Derartiges darf unserem Namen nicht angetan werden. Man wird nicht sehen wollen, wie groß Armands Liebe zu Ihnen ist, wie Sie Armand lieben und daß diese gegenseitige Liebe ein Glück für ihn und eine Rehabilitierung für Sie bedeuten würde. Man wird nur das eine sehen, daß nämlich Armand Duval duldet, daß ein ausgehaltenes Mädchen, verzeihen Sie die Offenheit, mein Kind - aber ich muß es Ihnen grausam offen sagen -, daß es also seinen Besitz für ihn verkauft. Dann stellen sich eines Tages die Reue und das Bedauern ein, glauben Sie mir das, bei Ihnen und bei allen anderen auch. Dann liegen Sie
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