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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame
Autoren: Alexandre Dumas
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mich.
Die augenblickliche Erregung übertrieb vielleicht meine Empfindungen. Aber so fühlte ich, mein Freund! Und die unbekannten Gefühle brachten die Erinnerung an die glücklichen Tage mit Ihnen zum Schweigen.
,Nun gut', sagte ich zu Ihrem Vater und trocknete meine Tränen, ,glauben Sie mir, daß ich Ihren Sohn liebe?'
,Ja.'
,Daß ich ihn selbstlos liebe?'
,Ja'
,Glauben Sie mir, daß diese Liebe für mich die Hoffnung,
den Traum und die Verzeihung meines Lebens bedeutete?'
,Unbedingt.'
,Dann küssen Sie mich ein einziges Mal, wie Sie Ihre Tochter küssen würden, und ich schwöre Ihnen, daß dieser Kuß, der einzige ehrbare Kuß meines Lebens, mich stark genug machen wird gegen meine Liebe. In weniger als acht Tagen
wird Ihr Sohn bei Ihnen sein, vielleicht für einige Zeit unglücklich, aber für immer geheilt.'
,Sie sind ein edler Mensch', entgegnete Ihr Vater und küßte mich auf die Stirn. ,Sie wollen etwas tun, für das der Himmel Sie belohnen wird. Aber ich fürchte, daß mein Sohn nicht auf Sie verzichten wird.' ,Seien Sie beruhigt, er wird mich hassen.' Zwischen uns beide mußte eine unüberwindliche Schranke gesetzt werden. Ich schrieb also Prudence, daß ich die Bedingungen des Grafen N... annehmen würde. Sie sollte ihm sagen, daß ich mit ihm und mit ihr am nächsten Abend essen ginge.
Ich verschloß den Brief, und ohne Ihrem Vater etwas über den Inhalt zu sagen, bat ich nur, ihn in Paris zustellen zu lassen.
Er fragte mich jedoch nach dem Inhalt. ,Er enthält das Glück Ihres Sohnes', antwortete ich. Ihr Vater küßte mich ein letztes Mal. Ich fühlte auf meiner Stirn zwei dankbare Tränen. Sie bedeuteten für mich die Absolution für alle meine früheren Vergehen. In dem Augenblick, wo ich beschlossen hatte, einem anderen Manne zu gehören, strahlte ich vor Stolz, wenn ich dachte, was ich mir durch dieses neue Vergehen erkaufte.
Das war so natürlich, Armand. Sie haben mir selber gesagt, daß Ihr Vater der ehrenwerteste Mann ist, dem man begegnen kann.
Herr Duval bestieg dann seinen Wagen und fuhr ab. Aber ich bin nur eine Frau, und als ich Sie wiedersah, konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten, doch wurde ich nicht schwach.
Handelte ich richtig? Das frage ich mich heute, während ich in meinem Bett liege, das ich vielleicht nur als Tote verlassen werde.
Sie haben miterlebt, wie sehr ich litt, als die Stunde unserer unwiderruflichen Trennung nahte. Ihr Vater war nicht mehr da, um mich zu bestärken. Einen Augenblick lang war ich nahe daran, Ihnen alles zu gestehen, so sehr litt ich bei dem Gedanken, daß Sie mich hassen und verachten würden. Etwas wissen Sie nicht, Armand. Ich bat Gott um Kraft. Der Beweis dafür, daß er meine Bitte erhörte, war: daß er mir Kraft sandte.
Während jenes Abendessens hatte ich Hilfe nötig. Ich dachte nicht an das, was ich zu tun im Begriff war, so sehr fürchtete ich, zu versagen.
Wer hätte von mir, Marguerite Gautier, gedacht, daß ich leiden würde bei dem bloßen Gedanken an einen neuen Geliebten?
Ich trank, um zu vergessen, und als ich am nächsten Morgen erwachte, lag ich im Bett des Grafen.
Das ist die volle Wahrheit, lieber Freund. Urteilen Sie nun, und verzeihen Sie mir, wie ich Ihnen alles verziehen habe, womit Sie mich seit jenem Tage verletzten.
     

XXVI
     
    Was dieser unheilvollen Nacht folgte, wissen Sie so gut wie ich. Aber Sie wissen nicht, Sie können nicht ahnen, wie ich seit unserer Trennung litt.
Ich erfuhr, daß Ihr Vater Sie mitgenommen hatte. Aber ich fühlte, daß Sie nicht lange fern von mir leben könnten. An dem Tag, als ich Ihnen auf den Champs-Elysées begegnete, war ich erregt, aber nicht erstaunt.
Nun kamen die vielen Tage, die mir täglich neue Beleidigungen brachten. Ich erduldete sie alle fast mit Freude. Denn einmal war es ein Beweis, daß Sie mich noch liebten, und dann schien mir, daß ich, je mehr Sie mich beschimpften, um so höher in Ihrer Achtung steigen würde, wenn Sie einmal die Wahrheit erführen. Wundern Sie sich nicht über dieses freudige Martyrium, Armand. Ihre Liebe zu mir hatte die edelsten Empfindungen in meinem Herzen geweckt, doch war ihm die notwendige Stärke nicht sogleich gegeben.
In der Zeit zwischen meinem Verzicht und Ihrer Rückkehr - es war eine lange Zeit - hatte ich Hilfe nötig und brauchte etwas, um nicht toll zu werden, um das Leben, in das ich mich stürzte, nicht zu empfinden. Prudence hat Ihnen sicherlich erzählt, daß ich auf jedem Ball, auf jeder Festlichkeit war und an allen
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