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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame
Autoren: Alexandre Dumas
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trauriger Tag, mein lieber Herr Armand. Marguerite hatte heute morgen große Atemnot. Der Arzt ließ ihr zur Ader, und sie konnte dann wieder ein wenig sprechen. Der Arzt empfahl, einen Priester kommen zu lassen. Sie war damit einverstanden. Er holte selber einen Abt von Saint-Roche. Inzwischen rief Marguerite mich zu sich. Sie bat mich, ihren Schrank zu öffnen. Dann zeigte sie auf eine Haube und auf ein langes, spitzenbesetztes Hemd und sagte mit schwacher Stimme:
,Ich werde mit den Sakramenten versehen sterben. Dann zieh mir das an! Es ist die Eitelkeit einer Sterbenden.' Darauf küßte
sie mich unter Tränen und fügte hinzu: ,Ich kann sprechen, aber es fällt mir so schwer... das Sprechen. Ich ersticke! Luft!'
Ich brach in Tränen aus und öffnete das Fenster. Kurz darauf kam der Priester. Ich ging ihm entgegen.
Als er erfuhr, zu wem er kam, fürchtete er offenbar, sein Besuch wäre nicht willkommen.
,Treten Sie nur ein, Hochwürden', sagte ich zu ihm. Er blieb nicht lange im Krankenzimmer. Als er herauskam, sagte er zu mir:
,Sie hat als Sünderin gelebt, aber sie stirbt als Christin.' Bald darauf kam er wieder in Begleitung eines Chorknaben, der das Kruzifix trug, und eines Mesners, der vor ihnen einherschritt und sein Glöckchen ertönen ließ, zum Zeichen, daß Gott zu einer Sterbenden komme.
Sie gingen alle drei ins Schlafzimmer, das einst so ganz andere Worte erfüllt hatten. In diesem Augenblicke war es nur noch ein heiliges Tabernakel.
Ich kniete nieder. Ich weiß nicht, wie lange der Eindruck, den mir dieser Vorgang machte, anhalten wird. Aber ich glaube nicht, daß mich jemals, ehe ich selber soweit bin, etwas Menschliches derart beeindrucken wird. Der Priester salbte die Füße, die Hände und die Stirn der Sterbenden mit heiligen ölen. Er sprach ein kurzes Gebet. Dann war Marguerite für ihre himmlische Reise vorbereitet. Wenn Gott die Prüfungen ihres Lebens und die Heiligkeit ihres Sterbens gesehen hat, dann wird er sie sicher zu sich in den Himmel holen. Sie sprach dann kein Wort mehr und bewegte sich auch nicht mehr. Zwanzigmal glaubte ich, es sei schon zu Ende, wenn ich nicht noch ihren angestrengten Atem gehört hätte.
Alles ist vorüber.
20. Februar, fünf Uhr abends Heute nacht, etwa um zwei Uhr, begann Marguerites
Todeskampf. Kein Märtyrer kann derartige Qualen erduldet haben, wenn ich an die Schmerzensschreie denke, die sie ausstieß. Zwei oder dreimal richtete sie sich kerzengerade im Bett auf, als wolle sie ihr Leben, das zu Gott emporschwebte, noch einmal zurückhalten. Und drei- oder viermal sprach sie Ihren Namen aus. Dann sank sie stumm und erschöpft auf ihr Lager. Stille Tränen rannen aus ihren Augen, und sie starb.
Ich kniete neben ihrem Bett nieder, rief sie bei ihrem Namen, aber sie gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Da schloß ich ihr die Augen und küßte sie auf die Stirn. Liebe, arme Marguerite. Wie gerne wäre ich eine Heilige, um dich mit diesem Kuß Gott zu empfehlen!
Dann kleidete ich sie so an, wie sie es sich gewünscht hatte, und holte einen Priester von Saint-Roche. Ich zündete zwei Kerzen für sie an und habe zwei Stunden in der Kirche für sie gebetet.
Ihr weniges restliches Geld gab ich den Armen. Ich bin in der Religion nicht sehr gut bewandert, aber ich glaube, Gott hat erkannt, daß meine Tränen von Herzen kamen, daß meine Gebete inbrünstig und meine Almosen aufrichtig waren. Er wird sich ihrer erbarmen. Sie mußte so jung und blühend sterben und hatte niemanden als mich, der ihr die Augen schloß.
22. Februar Heute war das Begräbnis. In der Kirche waren viele Freunde von Marguerite. Einige von ihnen vergossen aufrichtige Tränen. Als der Leichenwagen sich zum Montmartre hin in Bewegung setzte, folgten ihm nur zwei Leidtragende, der Graf von G..., der sofort aus London herbeigeeilt war, und der Herzog, den zwei Diener stützten. Ich schreibe Ihnen dies alles in Marguerites Wohnung. Ich weine. Eine Lampe beleuchtet
traurig die unberührten Speisen. Aber Nanine hat sie mir gebracht, da ich seit vierundzwanzig Stunden nichts gegessen habe.
In meinem Leben werden die traurigen Erinnerungen nicht lange vorherrschen, denn es gehört ebensowenig mir selber, wie Marguerites Leben ihr noch gehörte. Darum schreibe ich alle Einzelheiten sogleich nieder, denn ich fürchte, wenn sich Ihre Rückkehr noch lange hinauszögert, später nicht mehr fähig zu sein, Ihnen alles mit trauriger Genauigkeit berichten zu können.«
     

XXVII
     
    »Haben Sie alles
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