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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame
Autoren: Alexandre Dumas
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selige Himmelsfreuden, denn wie könnte Gott sonst zulassen, daß dieses Leben so
voller Sühnequalen und Schmerzprüfungen ist? Ich leide noch immer.
12. Januar Gestern sandte der Graf von N... mir Geld. Ich nahm es nicht an. Ich will nichts mehr von diesem Mann. Er ist schuld daran,
daß Sie nicht mehr bei mir sind.
Oh, wo sind die schönen Tage von Bougival!
Wenn ich dieses Zimmer noch einmal lebend verlassen kann,
dann werde ich eine Pilgerfahrt zu jenem Haus antreten, in dem wir so glücklich miteinander lebten. Aber ich werde es nur noch als Tote verlassen können. Wer weiß, ob ich Ihnen morgen noch schreiben kann?
25. Januar Elf Nächte schon kann ich nicht schlafen. Ich meine zu ersticken. Jeden Augenblick glaube ich, es geht zu Ende. Der Arzt hat mir verboten, die Feder in die Hand zu nehmen. Julie Duprat, die bei mir wacht, erlaubt mir aber, Ihnen ein paar Zeilen zu schreiben. Kommen Sie nicht mehr zurück, bevor ich sterbe? Ist es wirklich für immer aus zwischen uns? Ich glaube,
wenn Sie zurückkämen, würde ich gesund. Aber wozu gesund werden?
28. Januar Heute morgen erwachte ich durch laute Geräusche. Julie schlief in meinem Zimmer. Sie stürzte ins Eßzimmer. Ich hörte Männerstimmen, gegen die sie vergebens ankämpfte. Weinend kam sie zu mir zurück. Man pfändet. Ich sagte, sie solle dem, was man Gerechtigkeit nennt, seinen Lauf lassen. Der Gerichtsvollzieher kam mit dem Hut auf dem Kopf in mein Zimmer. Er öffnete alle Schubladen und notierte alles, was er sah. Er schien nicht zu bemerken, daß eine Sterbende in dem Bett lag, das die Barmherzigkeit des Gesetzes mir läßt. Bevor er ging, sagte er mir, ich könne bis zum neunten Tage Berufung einlegen. Aber er hat einen Wächter zurückgelassen. Diese Szene hat mich noch kränker gemacht. Prudence wollte
den Freund Ihres Vaters um Geld bitten. Ich habe mich dagegen gesträubt.
2. Februar Heute morgen habe ich Ihren Brief erhalten. Ich hatte ihn so nötig! Wird Sie meine Antwort noch rechtzeitig erreichen? Werden Sie mich noch sehen? Ich verlebte einen schönen Tag, der mich alles, was ich seit sechs Wochen durchmachte, vergessen ließ. Ich glaube, es geht mir besser, trotz der
traurigen Stimmung, in der ich Ihnen antworte. Man muß also nicht immer unglücklich sein. Wenn ich mir ausmale, daß ich nicht stürbe, daß Sie zurückkämen, daß ich den Frühling wieder erlebte, daß wir uns wieder liebten und das Leben des vorigen Sommers wieder begännen!
Ich bin von Sinnen. Kaum kann ich die Feder halten, mit der ich Ihnen diesen unwahrscheinlichen Traum meines Herzens schreibe.
Wie es auch kommen mag, Armand, ich liebte Sie sehr. Ich wäre längst nicht mehr am Leben, wenn mich die Erinnerung an diese Liebe nicht aufrichtete und ich nicht die schwache Hoffnung hätte, Sie noch einmal wiederzusehen.
4. Februar Der Graf von G... ist zurückgekommen. Seine Geliebte hat ihn betrogen. Er liebte sie sehr. Er kam, um mir das alles zu erzählen. Seine Geldangelegenheiten stehen nicht zum besten. Und dennoch hat er den Gerichtsvollzieher bezahlt und den Wächter dadurch entfernt. Ich erzählte ihm von Ihnen, und er versprach mir, Ihnen auch von mir zu erzählen. Ich hatte darüber ganz vergessen, daß ich einmal seine Geliebte war, und er half mir dabei. Er hat ein gutes Herz. Gestern ließ der Herzog sich nach meinem Befinden erkundigen. Heute morgen kam er selber. Ich weiß nicht, was diesen alten Mann noch am Leben erhält. Drei Stunden saß er neben mir und sprach nicht zwanzig Worte. Er weinte zwei große Tränen, als er sah, wie blaß ich bin. Er weinte diese Tränen sicher in Erinnerung an den Tod seiner Tochter. Er muß sie zweimal sterben sehen. Sein Rücken ist gebeugt, sein Kopf neigt sich vor, seine Lippe hängt herunter, sein Blick ist unklar. Das Alter und der Schmerz lasten mit ihrem doppelten Gewicht auf seinem erschöpften Körper. Er hat mir keine Vorwürfe gemacht. Man hätte glauben können, der Anblick meines durch
Krankheit verwüsteten Körpers sei ihm im geheimen eine Genugtuung. Er schien stolz darauf zu sein, noch aufrecht
stehen zu können, während ich, noch jung, leidend darniederliege.
Jetzt ist das Wetter wieder schlecht geworden. Niemand kommt zu mir. Nur Julie wacht bei mir, sooft sie kann. Prudence, der ich kein Geld mehr geben kann wie früher, hält sich unter dem Vorwand von Geschäften fern. Jetzt bin ich dem Tode sehr nahe, trotz allem, was die Ärzte mir sagen. Denn ich habe mehrere, und das ist ein
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