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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende
Autoren: Robert Littell
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hochgeschlagenem Kragen. Die Männer, offensichtlich Bodyguards, winkten dem Fahrer zur Begrüßung. Einer von ihnen schlenderte zur nächsten Ecke und blickte die Querstraße rauf und runter. Der andere ging einige Schritte nach links und überprüfte die Crown Street. Als er wieder zum BMW zurückkam, suchte er die Fenster des leer stehenden Krankenhauses gegenüber ab.
    Die Sicherheitsmaßnahmen waren eindeutig nachlässig. Die Bodyguards wirkten entspannt, als machten sie das alles nur der Form halber. Das war häufig so, wenn die zu schützende Person irgendwo versteckt worden war und die für seine Sicherheit Verantwortlichen davon ausgingen, dass die potenziellen Feinde seinen Unterschlupf niemals finden könnten. Die zwei Bodyguards standen jetzt am BMW und plauderten mit dem Fahrer. Einer der Bodyguards war offenbar angefunkt worden, denn er holte sein Walkie-Talkie aus einer Tasche und murmelte etwas hinein, während er nach oben zu den geschlossenen Jalousien blickte. Einige Minuten verstrichen. Dann öffnete sich die Eingangstür von Nummer 621 und ein weiterer Bodyguard erschien. Er hatte Mühe, die beiden Barsois an ihren langen Leinen zurückzuhalten. Zur Belustigung der Männer am BMW zerrten die Hunde den Mann bis zum Bordsteinrand. Hinter ihm tauchte ein untersetzter Mann mit hochgezogenen Schultern in der Tür auf. Er hatte silbernes Haar und trug eine Brille. Zwischen die Zähne hatte er eine Zigarre geklemmt, während er an zwei Aluminiumkrücken auf den BMW zuging und dabei eine Hüfte vorschob und das Bein hinterherzog, um die Bewegung dann mit der anderen Hüfte zu wiederholen. Mitten auf dem Gehweg blieb er kurz stehen, um zu verschnaufen, während einer der Bodyguards die hintere Wagentür öffnete. In dem Eckzimmer auf der anderen Straßenseite stand Lincoln auf und drückte sich in einer fließenden Bewegung einen Ellbogen gegen den Brustkasten, während er das Gewehr auf einer Fensterstrebe ablegte. Er schloss das linke Auge, presste das rechte an das Zielfernrohr und senkte die Mündung der Whitworth, bis das Fadenkreuz direkt über der Nase auf der Stirn der Zielperson lag. Er drückte mit einer derart sorgsamen Bedächtigkeit ab, dass er fast verblüfft war, als die Flamme aus dem Piston zischte, die Kugel aus dem Lauf schnellte und der befriedigende Rückstoß des Schaftes seine Schulter traf. Er nahm das Ziel erneut ins Visier und sah aus einem gezackten Riss mitten auf der Stirn des Mannes Blut sickern. Die Bodyguards hatten ein Geräusch gehört, es aber noch nicht mit einem Schuss in Verbindung gebracht. Der Mann, der die Autotür aufhielt, sah als Erster, dass ihr Schützling auf dem Gehweg zusammenbrach. Er sprang hin, fing ihn unter den Armen auf und rief um Hilfe, während er ihn auf die Erde legte.
    Als die Bodyguards merkten, dass der Mann, den sie beschützen sollten, erschossen worden war, hatte Lincoln, ohne auf die Schmerzen in seinem lahmen Bein zu achten, schon fast die Lücke im Maschendrahtzaun erreicht.

1997: CRYSTAL QUEST LERNT, AN DANTES DREIFALTIGKEIT ZU GLAUBEN
    Dante Pippen, ein Meister des Spionagehandwerks, saß am hintersten Tisch von Xings Restaurant, mit dem Rücken zu den anderen Tischen und beobachtete in einem Spiegel, wer kam und ging. Er taxierte die beiden Männer in Trenchcoats, die um Punkt zwölf Uhr mittags das Restaurant betraten. Beide hatten die ausdruckslosen Augen, die sie als Mitarbeiter des CIA-Sicherheitsbüros verrieten. Der mit den Blumenkohlohren eines Profiboxers ging hinter der Theke auf Tauchstation, um sich zu vergewissern, dass Xing, der wie immer auf seinem Hocker vor der Kasse thronte, dort nicht eine abgesägte Schrotflinte versteckt hatte. Der zweite Mann, der die Schultern und den Hals eines Gewichthebers hatte, verschwand durch die Schwingtüren in der Küche, ohne Dante auch nur eines Blickes zu würdigen. Im Nu war er wieder da und baute sich vor den Türen auf, die Arme vor der breiten Brust verschränkt.
    Es dauerte nicht lange, dann erschien Crystal Quest an der Tür des Restaurants. Als sie aus dem grellen Sonnenlicht der Albany Avenue den düsteren Raum betrat, brauchten ihre Augen einen Moment, um sich umzustellen. Doch dann entdeckte sie Dante und steuerte auf ihn zu. Die robusten Absätze ihrer praktischen Schuhe knallten dumpf auf den Linoleumboden. »Lange nicht gesehen«, sagte sie, als sie ihm gegenüber Platz nahm. »Sie sehen nach wie vor fit aus, Dante. Trainieren Sie noch immer an Ihrer
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