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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Autoren: Bernd Schneidmüller
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ihn, der als Theoderich der Große eine Vorrangstellung unter den neuen germanischen Königen des Westens gewann, zum König über Goten und Römer aus. 497 band ihn der oströmische Kaiser Anastasius durch die Benennung als König Flavius Theodericus in die kaiserliche Familie und in sein Reich ein. Tatsächlich trat Theoderich in der Ausgestaltung Ravennas wie ein Kaiser auf. Das oströmische Hegemonialsystem wollte durch Anerkennungsakte und Rangerhöhungen auch die anderen neuen Herren in die Idee des einen Reichs einfügen. 508 erhielt der Frankenkönig Chlodwig von Kaiser Anastasius die Ernennung zum Konsul und trat öffentlich in Tours in einem aus Konstantinopel geschickten Königsornat auf. Noch blieben Glanz und Legitimationskraft des fernen Kaisertums geschätzt. Doch mit der Zeit verblasste die integrative Klammer römischerEinheit in faktischer Ferne. Der Osten und der Westen beschritten getrennte Wege in die mittelalterliche Geschichte, ohne den Kontakt zu verlieren.
    Das oströmische oder byzantinische Reich setzte bis zu seinem Ende 1453 das Kaisertum der Römer mit dem Anspruch absoluter Ausschließlichkeit fort. Auch als Italien verloren ging, auch als sich die griechische Sprache und Kultur durchsetzte, die aus dem lateinischen Imperator den griechischen Basileus machte, auch als sich im Westen das lateinische Kaisertum etablierte, auch als die wirkliche Handlungsmacht auf die Umgebung der Hauptstadt Konstantinopel/Byzanz schrumpfte – der alleinige Anspruch auf Bewahrung der römischen Antike wurde niemals aufgegeben. Als neues Rom bildete die Metropole am Bosporus vom 7. bis zum 15. Jahrhundert die Verkörperung des alten Rom wie das Bollwerk des christlichen Glaubens im Kampf gegen Araber und Türken. Dieses Selbstbewusstsein wurde durch die Glaubensspaltung zwischen römischer und orthodoxer Kirche 1054 noch befördert. Daran änderte auch die Eroberung Konstantinopels durch westliche Kreuzfahrer 1204 und die zeitweilige Errichtung eines lateinischen Kaiserreichs nichts. 1261 gelangte «das einzig wahre Rom» wieder unter die legitime Herrschaft Michaels VIII. aus der Dynastie der Palaiologen.
    Seine Prägung erfuhr das byzantinische Kaisertum unter Justinian I. (527–565). Als programmatischer Fortsetzer des römischen Reichs betrieb er die Wiedereroberung des Westens. Seine Feldherren Belisar und Narses siegten in Nordafrika und in Italien. Doch der Norden Italiens fiel schon kurze Zeit später 568 an die Langobarden. So zerbrach die Fiktion des wieder errichteten Römerreichs im Westen bald nach Justinians Tod. Zu seinen politischen Erfolgen gesellte sich die Sammlung und Überlieferung des über Jahrhunderte entstandenen römischen Rechts. Die Systematisierung des antiken Kaiserrechts verlieh der Institution eine sichere Legitimationsgrundlage im Osten und forderte den Westen seit der umfassenden Wiederentdeckung der Rechtssammlung im 12. Jahrhundert heraus.
    In drei Teilen ließ Justinian die Überlieferung ordnen: Der
Codex Justinianus
(529/534) sammelte jene Kaisererlasse, die fortan alleinige Geltung beanspruchten. Die
Institutionen,
ein Lehrbuch des römischen Rechts (533), und die
Digesten
(
digerere
= einteilen/ordnen) oder
Pandekten (pan dechestai
= alles aufnehmen), eine Sammlung des Juristenrechts, traten hinzu. Die erste Gesamtausgabe dieser drei Teile aus dem Jahr 1583 gab dem Werk seinen Namen:
Corpus iuris civilis,
in wichtigen Partien bis heute die Grundlage europäischer Rechtsordnungen. Das Kaiserrecht war aus Fallentscheidungen als Antworten (Reskripte) auf konkrete Anfragen entstanden, also nicht systematisch entworfen, sondern in variablen Elementen gewachsen. Daraus entwickelten sich Normen mit klaren Grundzügen über den Ursprung und die Wirkung kaiserlicher Gewalt. Ihre Präzisierung in der Sammlungstätigkeit unter Justinian erlangte zukunftsweisende Wirkung. Das Gesetzgebungsrecht lag zunächst allein beim römischen Volk, das seine Befugnisse auf den Imperator übertrug
(Lex regia).
Damit wurde der Kaiser zur Quelle allen Rechts. Seine Gesetze schufen den Staat.
    Aus solchen Grundlagen speiste sich die politische Geschichte des byzantinischen Kaisertums. Hier interessieren nicht die Entwicklungen und Träger des östlichen Imperiums vom 4. bis zum 15. Jahrhundert, obwohl ihre Bedeutung wie ihr Anteil an der europäischen Geschichte kaum zu überschätzen sind. Auch die Verwandlungen des byzantinischen Reichs über ein ganzes Jahrtausend müssen zurückstehen.
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