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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Autoren: Bernd Schneidmüller
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unbesiegbaren Sonne
(Sol invictus)
wollte den Herrscher aber von den Neigungen des Heeres unabhängig machen. Dabei begnügte sich der integrationsfreudige Vielgötterhimmel mit dem korrekten Kultvollzug und verlangte keine emotionale Frömmigkeit. Gerade dieser Unterschied von formalisiertem Handeln und religiös erfülltem Herzen führte zum unüberwindlichen Gegensatz mit dem Christentum. Wegen seiner Verpflichtung auf den einen Gott durfte es bloße Verehrungsgesten an andere nicht vollführen. Das wurde von den Römern als Verweigerung politischer Loyalität interpretiert.
    Die Sakralisierung der Person entrückte den Kaiser in komplexen Zeichensystemen des höfischen Zeremoniells immer deutlicher von den Menschen. Sie begegneten ihm in seinen Bildern und warfen sich davor nieder (Proskynese). Dafür garantierte die Frömmigkeit
(pietas)
des Kaisers mit der Gunst der Götter das Wohlergehen des Reichs. Die römische Herrschaftzielte prinzipiell auf die Grenzen der Welt und schuf darin ein Reich ohne Grenzen. Die offenkundige Diskrepanz zwischen dem von außen bedrohten Reich und der postulierten Weltherrschaft des Kaisers wurde nicht gelöst. Diese Pragmatik, das Unmögliche weitgehend zu denken und das Mögliche zu akzeptieren, erhielt sich auch im Mittelalter.
    Im 3. bis 5. Jahrhundert erwies sich die Integrations- und Wandlungsfähigkeit von Reich und Kaisertum auf verschiedenen Ebenen. Administrative und militärische Notwendigkeiten einer zunehmend von äußeren Feinden bedrohten Welt führten zu Zergliederung und Kontinuitätsbruch. Mit der Aufteilung in ein west- und oströmisches Reich ging die Verlagerung der Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel (griechischer Name: Byzanz) unter Kaiser Konstantin in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts einher. Der Politikwechsel von Expansion zu Reaktion veränderte das römische Reich im Kern und ließ seine Eliten zu einem Schmelztiegel unterschiedlicher Ethnien und Kulturen werden. In Kämpfen um die Grenzen und im Sog der römischen Zivilisation entstanden seit dem 3. Jahrhundert die neuen Völker des Mittelalters, die ihre Identität als spätantike Randkulturen in den Erfahrungen von Wanderung und Eroberung ausbildeten. Die neuen Herrscher lehnten sich lange an die Kaiser an und bezogen ihre Rechtmäßigkeit aus deren Anerkennungen und Rangerhöhungen. So band das römische Reich die neuen Verbände in das eigene Herrschafts- und Verteidigungssystem ein. Verbündete stiegen in höchste Positionen der Reichsverwaltung auf und nahmen als Heermeister Einfluss auf die Besetzung des Kaisertums. In seinem Dienst definierten sich die multiethnischen Führungsschichten.
    Der Religionswechsel des 4. Jahrhunderts formte das Kaisertum um. Nach langen Etappen der Verfolgung und nach kurzer Zeit der Duldung stieg das Christentum im Lauf des 4. Jahrhunderts zur offiziellen Reichsreligion auf. Es veränderte sich freilich im Kern, als Kaiser Theodosius I. 391 alle heidnischen Kulte verbot. Nun wuchsen den Christen nach Phasen der Weltflucht neue Aufgaben zur Legitimation und Sinnstiftung für Eliten zu. Die Kaiser traten aus dem Götterhimmel heraus, weilder Christengott keinen anderen Gott neben sich duldete. Doch sie sahen sich als Beauftragte dieses Gottes in der Welt, von ihm erwählt und bekrönt, Mittler zwischen Gott und den Menschen. Dabei entrückten die Herrscher ihren Untertanen im Zeremoniell und in der abgeschiedenen Überwelt des kaiserlichen, heiligen Palastes immer weiter. Die persönliche Präsentation in der Öffentlichkeit wich seit dem 4. Jahrhundert der in Bildern garantierten institutionellen Omnipräsenz des Kaisertums.
    Dieser Übersteigerung stand im weströmischen Reich des 5. Jahrhunderts ein zunehmender Gestaltungsverlust entgegen. 476 setzte Odoaker, erst Diener des Reichs, dann sein Vernichter, den letzten Kaiser Romulus Augustus (genannt Augustulus = Kaiserchen) ab. Den Zeitgenossen vielleicht nur Etappe im bunten Transformationsprozess, markierte das Jahr 476 in der Rückschau eine Epochenwende. Nach einem halben Jahrtausend gelangte das Kaisertum im Westen des römischen Reichs an sein unrühmliches Ende. Eine Gesandtschaft des Senats brachte die Herrschaftszeichen nach Konstantinopel und erklärte, jetzt genüge in beiden Reichsteilen ein Kaiser. Kaiser Zenon erhob nicht, wie erbeten, Odoaker, sondern den Heermeister Theoderich aus der ostgotischen Amalersippe zum Patricius. Gewaltsam setzte dieser sich 493 in Italien durch.
    Das Heer rief
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