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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Autoren: Bernd Schneidmüller
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Wie die Folie für das neue Kaisertum des Westens aussah, zeigt der vergleichende Blick auf fünf wesentliche Unterschiede:
    1) Das östliche Reich blieb untrennbar mit der Institution des Kaisertums und der Person des Herrschers verbunden. Trotz einzelner Absetzungen garantierte die Kontinuität des Kaisertums die byzantinische Geschichte. Anders als im Westen blieb das Reich nie lange ohne Kaiser.
    2) Herrschaft entstand anfangs aus Akklamation und Schilderhebung durch das Heer. Das Kaisertum blieb mit der militärischen Kommandogewalt verknüpft. Seit der Mitte des 5. Jahrhunderts nahmen in wechselnden Konstellationen Heer, Senatund Volk die Kaiserwahl vor. Eine Krönung durch den Patriarchen fand seit 474 statt, seit 614 in der Hauptkirche Hagia Sophia, doch erhielt die liturgische Ausgestaltung niemals konstitutive Bedeutung für den eigentlichen Erhebungsakt. Eine Kaisersalbung trat unter westlichem Einfluss erst im 13. Jahrhundert hinzu.
    3) Die Wahl als Legitimationsbasis ließ eine Erbmonarchie als Prinzip ursprünglich nicht zu. Bis ins 9. Jahrhundert erhielt sich das Kaisertum niemals über mehr als vier Generationen in einer Familie. Lange Regierungszeiten, militärische Herausforderungen und die erzwungene Reduktion des Reichs setzten unter den makedonischen Kaisern (867–1056) und dann unter den Palaiologen (1259–1453) die faktische Bewahrung kaiserlicher Gewalt in einer Familie durch. Seit dem 10. Jahrhundert wurde als zusätzliches Eignungskriterium die Geburt eines Thronanwärters in der Amtszeit des kaiserlichen Vaters ins Feld geführt. Symbolort war der Purpurraum (Porphyra) des kaiserlichen Palasts. Nach ihm wurde das dort geborene Kind als Purpurgeborener (Porphyrogenetos) bezeichnet. Das kostbare Purpur blieb den Kaisern als Auszeichnungsfarbe vorbehalten.
    4) Die prägende Kraft staatlicher Gewalt verhinderte jenen Bedeutungsgewinn, den kirchliche Institutionen und Personen im Westen erlangten. Konflikte zwischen dem Kaiser und dem Patriarchen von Konstantinopel ergaben sich aus persönlichen, nie aus strukturellen Konstellationen. Bei der Krönung leistete der Patriarch einen Treueid auf den Kaiser; der Kaiser dagegen schwor, den Glauben zu schützen. Weil die geistliche und weltliche Sphäre nebeneinander existierten, kam es nicht wie im Westen zu Kämpfen um das gegenseitige Verhältnis oder gar um den Vorrang auf Erden.
    5) In seiner Gottnähe wurde der Kaiser in spätantiken Traditionen den Menschen entrückt. Prunkvolle Handlungen in der abgeschiedenen Sphäre des Palasts übten auf Besucher große Wirkung aus. Das Kulturgefälle vom Kaisertum zur restlichen Welt wurde über die Jahrhunderte in ausgefeilten Ritualakten sorgfältig gepflegt und bildete die Grundlage für den Herrschaftsanspruch über die Welt. Er schloss jede Gleichberechtigunganderer Reiche oder Herrscher aus. Abgefallene oder eroberte Gebiete des einstigen Großreichs wie Palästina oder Süditalien gingen darum in Gedanken niemals wirklich verloren. Im Zusammenleben mit anderen Mächten waren nach byzantinischem Selbstverständnis Forderungen anderer an den Kaiser unmöglich, wohl aber Gnadenerweise des Basileus an Könige niederen Rangs. Dieses Bewusstsein fand seinen Niederschlag im Modell einer «Familie der Könige» mit dem Basileus an der Spitze.
    Das byzantinische Reich schrumpfte in seiner Ausdehnung vom 7. bis zum 15. Jahrhundert immer weiter. Die osmanische Expansion reduzierte es schließlich auf die Hauptstadt und wenige Reste auf dem Balkan. Am 29. Mai 1453 fiel Konstantinopel/Byzanz in die Hände der osmanischen Eroberer unter Sultan Mehmet II. In den Kämpfen verlor Kaiser Konstantin XI. sein Leben. Die Sieger nannten die Metropole am Bosporus später Istanbul und machten sie zu ihrer neuen Hauptstadt. Seit dem 16. Jahrhundert konzentrierte das orthodoxe Christentum den Reichsgedanken auf Moskau, das dritte Rom.

3 Entwürfe des Westkaisertums
(800–855)
    Am Anfang des lateinischen Kaisertums im Mittelalter stand Karl der Große. Ihm setzte Papst Leo III. (795–816) am 25. Dezember 800 im römischen Petersdom die Kaiserkrone aufs Haupt. Mehr als 1000 Jahre galt diese Würde fortan als Inbegriff gesteigerter Königsherrschaft. Um diesen höheren Rang ging es dem bisherigen Frankenkönig und seinem Beraterkreis. Sie ließen sich auf ein großes politisches Experiment ein. Wegbereitung hatte es in der engen Kooperation der beiden ersten karolingischen Frankenkönige mit den Päpsten erfahren. Doch
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