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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Autoren: Bernd Schneidmüller
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Verbindlichkeiten. Der Herr ritt hoch zu Ross, während sein Knecht zu Fuß das Pferd führte. Der Bittsteller warf sich seinem Helfer in jämmerlichem Bußgewand zu Füßen. Die Inszenierung von Handlungsmacht und Ehrerbietung könnte nicht unterschiedlicher sein als in den Erinnerungstexten von der ersten Begegnung von Papst und Frankenkönig 754. Das barg den Keim für Rangkonflikte. Und tatsächlich wurden die Ritualakte über alle Jahrhunderte des Mittelalters dauernd ausgehandelt, verändert und neu verstanden – beständige Ritualdynamik mit nur scheinbar festen Formen in einer Welt, die oben und unten, mächtig und demütig aus zeichenhaftem Handeln erkannte.
    Das Bündnis von 754 brachte vielfältigen Nutzen. Mit militärischer Kraft beendete Pippin den langobardischen Druck auf die Päpste. Er und sein Sohn erhielten von den Nachfolgern Petri dafür den Ehrentitel eines «Schutzherrn der Römer»
(patricius Romanorum). 774
unterwarf Karl das Reich der Langobarden. Noch während der Belagerung der Hauptstadt Pavia zog er nach Rom, wo er wie ein «Schutzherr» empfangen wurde. Der Patricius-Titel kam jetzt nicht mehr vom byzantinischen Kaiser, sondern vom Papst als dem neuen Herrn Roms. Viele Reiche und Herrschaften unterwarf sich Karl. Bayern und Alemannien wurden fester ins Frankenreich eingegliedert, die heidnischen Sachsen und Awaren in vielen Schlachten besiegt. Mit Ausnahme der britischen Inseln ging die Vielfalt der frühmittelalterlichen Königreiche in einem einzigen hegemonialen Reich auf.
    Dichter vom Rand des Kontinents besangen Karl als «Vater Europas» oder als «Leuchtturm Europas». Die fränkischen Untertanen trugen diesen Europa-Versuch nicht mit. Stolz hielten sie am eigenen Vorrang in einem Reich fest, dem sie den Namen gaben. Drei große Gewalten auf Erden erkannte Karls Berater Alkuin 799: den Papst, den Kaiser und den König der Franken. Um so erstaunlicher war Karls Erweiterung des offiziellen Herrschertitelsnach der Eroberung des Langobardenreichs in Ober- und Mittelitalien. Seit 774 nannte er sich «König der Franken und Langobarden und Schutzherr der Römer». Die Strahlkraft Italiens zog den Frankenherrscher in ihren Bann.
    Leo III. zeigte seine Papstwahl 795 dem Frankenkönig an und sandte ihm die Schlüssel zum Grab des Apostels Petrus sowie die Fahne der Stadt Rom. Nach einem römischen Putsch wandte er sich Hilfe suchend an Karl, der ihn 799 in Paderborn empfing, am Ende des Reichs im frisch eroberten und christianisierten Sachsen. Mit fränkischem Geleit schaffte Leo im Herbst 799 die Rückkehr nach Rom. Ein Jahr später folgte ihm Karl. Die Kaiserkrönung war vermutlich abgesprochen. Zur Vorbereitung ließ der Papst das Triclinium, den wichtigsten Repräsentationsraum des Laterans, mit einem Freskenprogramm schmücken, das sich aus Abzeichnungen rekonstruieren lässt. Die Aussendung der Apostel durch Christus im Zentrum der Apsis wurde von zwei Huldigungsszenen flankiert. Links übertrug Christus dem heiligen Petrus das Pallium und Kaiser Konstantin dem Großen die Kaiserstandarte. Rechts reichte Petrus das Pallium an Papst Leo III. und eine Fahnenlanze an König Karl. Eine Inschrift verkündete: «Heiliger Petrus, gib Papst Leo das Leben und König Karl den Sieg.»
    Zwei neuere Überlegungen lassen Karls Kaisertum nicht mehr unbedingt als zielgerichteten Höhepunkt der Bindungen von Papst und Frankenkönig erscheinen. Zum einen berichtet eine Kölner Notiz, eine griechische Gesandtschaft habe Karl 798/799 das Kaisertum
(imperium)
übertragen. Der Sinn der wenigen Worte bleibt undeutlich. Dachte sich die fränkische Männergesellschaft das Kaisertum verwaist, weil im Osten mit Kaiserin Eirene (797–802) «nur» eine Frau regierte? Oder wollte sich das östliche Kaiserhaus mit dem westlichen Aufsteiger im Sinne des spätantiken Doppelkaisertums arrangieren? All das wird aus der schütteren Meldung nicht deutlich. Wir wissen nur, dass Byzanz Karls Kaisertum später als Usurpation empfand und mit der dezidierten Betonung des eigenen römischen Kaisertums reagierte. Zum anderen will man das lange Warten Karls bis zur Kaiserkrönung am 25. Dezember 800 miteschatologischen Vorstellungen erklären. Nach mittelalterlicher Zeitrechnung markierte das Weihnachtsfest den Beginn des Jahres 801 wie des siebten Jahrtausends seit Erschaffung der Welt, Vollendung des siebentägigen Wochenzyklus zur Ruhe der Menschen in Gott. Es ist in der kargen Überlieferung nur schwer zu beurteilen, ob
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