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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Autoren: Bernd Schneidmüller
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Ausgestaltung, Ziele und Risiken blieben offen. Zeitgenössische Quellen lassen uns Hoffnungen und Widersprüche erkennen.Die wichtigsten Berichte stammen aus dem Umkreis des Kaisers wie des Papstes oder sind später zur Belehrung einer angefochtenen Gegenwart durch eine große Vergangenheit geschrieben.
    In der Perspektive des Kaiserhofs formulierten die fränkischen Reichsannalen: «Als sich der König gerade am heiligen Weihnachtstag vom Gebet vor dem Grab des seligen Apostels Petrus zur Messe erhob, setzte ihm Papst Leo eine Krone aufs Haupt, und das ganze Römervolk rief dazu: ‹Karl, dem von Gott gekrönten großen und friedfertigen Kaiser der Römer, Leben und Sieg!› Und nach den lobenden Zurufen wurde er vom Papst nach der Sitte der alten Kaiser durch Kniefall geehrt und fortan, unter Weglassung des Titels Patricius, Kaiser und Augustus genannt.»
    Die Lebensbeschreibung Papst Leos III. wusste: «Dort krönte der ehrwürdige und Segen spendende Vorsteher (Leo III.) ihn (Karl) eigenhändig mit der kostbarsten Krone. Darauf riefen alle gläubigen und getreuen Römer, welche den Schutz und die Liebe sahen, die er (Karl) der römischen Kirche und ihrem Vertreter gewährte, einmütig mit lauter Stimme auf Gottes Geheiß und auf Eingebung des heiligen Petrus, des Schlüsselträgers des Himmelreichs: ‹Karl, dem sehr frommen Augustus, dem von Gott gekrönten großen und friedfertigen Kaiser, Leben und Sieg!›»
    Die Lorscher Annalen kannten keine Krönung und leiteten das Kaisertum von der Vakanz des Kaisertums bei den Griechen und von Karls Vorrang her: «Weil damals der Name des Kaisers den Griechen entglitt und ein weibliches Kaisertum bei ihnen zerfloss, wurde Papst Leo, allen heiligen Vätern, die auf diesem Konzil versammelt waren, und dem restlichen Christenvolk klar, dass jener Frankenkönig Karl Kaiser genannt werden müsse. Er besaß Rom, wo üblicherweise immer die Kaiser saßen, und die übrigen Sitze, die sie in Italien, Gallien und Germanien inne hatten. Weil der allmächtige Gott alle diese Sitze in seine Macht gegeben hatte, schien es ihnen nur gerecht, dass er mit Gottes Hilfe und den Bitten des christlichen Volkes diesen (kaiserlichen) Namen erhielt. Ihrer Bitte wollte König Karl nicht widerstehen.»
    Einhart erinnerte sich mehr als ein Jahrzehnt nach Karls Tod mit einem befremdlichen Satz: «Damals war es, dass er die Ernennung zum Kaiser und Augustus empfing. Das war ihm zuerst so zuwider, dass er versicherte, er würde an jenem Tage, obwohl ein hohes Fest, die Kirche nicht betreten haben, wenn er die Absicht des Papstes hätte vorher wissen können. Den Hass der römischen Kaiser, die ihm die Annahme des Kaisertitels sehr verübelten, trug er mit großer Gelassenheit, und mit der Hochsinnigkeit, in der er ohne alle Frage weit über ihnen stand, wusste er ihren Trotz zu besiegen, indem er häufig durch Gesandtschaften mit ihnen verkehrte und sie in seinen Briefen als Brüder anredete.»
    Die vier Krönungsgeschichten widersprechen sich nicht. Aber sie entwerfen eine jeweils eigene erinnerte Wirklichkeit von Krönung und Lobgesängen, von Aktion und Reaktion. Sie lassen sich nicht zur Einheit zusammenfügen. Darum muss die Kaisererhebung in der Vielfalt ausgehalten werden. Einharts viel diskutierter Satz vom überraschten Kaiser wider Willen verriet Spannungen. Wurde Karl zu einem Kaiser der Römer? Verließ er damit sein Frankenvolk, das bislang seine Herrschaft getragen hatte? Behauptete der Papst eine unangemessene Handlungs- und Deutungsmacht? Und welche Konflikte bauten sich mit den «römischen Kaisern» in Konstantinopel auf, die plötzlich ihre imperiale Exklusivität einbüßten?
    Seit 801 präsentierte die karolingische Kanzlei in Urkunden die neue Würde als Nebeneinander von Herrschaft: «Karl, erhabener Augustus, von Gott gekrönter großer und friedfertiger Kaiser, Lenker des römischen Reichs, der durch die Gnade Gottes auch König der Franken und Langobarden ist.» Das ist vielleicht der schwierigste Herrschertitel des Mittelalters, sorgfältig komponiert, die Franken und Langobarden als Völker neben dem römischen Reich wie die Königswürde neben dem Kaisertum. Gegen den hochmittelalterlichen Titel «Kaiser der Römer» (
imperator augustus Romanorum
) wirkte der karolingische Kompromiss wie ein Ungetüm. Er kennzeichnete die Experimentierphase in Karls Kaisertum besser als alle spitzfindigen Deutungen aus römischen oder fränkischen Konzepten. Im erstenJahr seiner
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